Bundesregierung: Keine Bodentruppen nach Syrien
Wie immer der Einsatz der Bundeswehr in Syrien aussehen wird, eines steht fest: Bodentruppen zur Bekämpfung der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) wird sie nicht stellen. Das erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag auf der Pressekonferenz der Regierung zur Anfrage der USA, Soldaten nach Syrien zu entsenden. Zwar erörtere man mit der amerikanischen Seite, wie sich das Engagement in der Region weiterentwickeln solle. Dabei gehe es um eine ganze Reihe sowohl militärischer als auch ziviler Komponenten, mit denen sich eine Stabilisierung in der Region erreichen ließe. Allerdings: "Wenn ich sage, dass die Bundesregierung es ins Auge fasst, ihre bisherigen Maßnahmen im Rahmen der Anti-IS-Koalition fortzuführen, dann zählen dazu bekanntlich keine Bodentruppen."
Inzwischen stellte die amerikanische Seite klar, dass sie primär nicht an einen Kampfeinsatz denkt. "Den IS kann man besser mit syrischen Ortskräften zurückdrängen", sagte der Beauftragte der US-Regierung für Syrien und für den Kampf gegen die IS-Miliz, James Jeffrey, der Nachrichtenagentur dpa. Er hatte am vergangenen Freitag Gespräche im Auswärtigen Amt geführt. "Aber man braucht eine bestimmte internationale Präsenz, um die Luftunterstützung sicherzustellen für Logistik, Ausbildung und technische Hilfe." Die angestrebte Mission solle einen Beitrag zur Stabilität im Nordosten Syriens leisten.
Engagement über dem syrischen Himmel: Bundesverteidigungsministerin von der Leyen auf dem Bundeswehrstützpunkt Al-Asrak in Jordanien
"Herausforderungen durch IS noch keineswegs verschwunden"
Grundsätzlich ist sich die Bundesregierung mit der US-Administration über die Notwendigkeit eines weiteren Engagements einig. "Die Herausforderung durch den sogenannten Islamischen Staat ist noch keineswegs verschwunden", so Regierungssprecher Seibert am Montag. "Es ist gelungen, Gebiete abzunehmen, die er vormals in Syrien und Irak gehalten hat. Aber die Herausforderung einer Gefahr durch den Islamischen Staat besteht weiterhin." Allerdings denke die Bundesregierung vor allem daran, den bisherigen Ansatz fortzuführen, deutete Seibert an: "Der deutsche Ansatz ist, dass wir unsere bisherigen Maßnahmen möglichst fortführen wollen."
Die Bundesregierung stehe der Anfrage grundsätzlich offen gegenüber, erklärte auch der Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter, Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Auswärtigen Ausschuss sowie stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss. Es gelte nüchtern die deutsche Interessenlage wie auch die Gefährdung zu bewerten, so Kiesewetter gegenüber der DW. "Sicherlich müssen auch die Rahmenbedingungen analysiert werden: rechtlicher Rahmen, was für Fähigkeiten, welche Partner, was ist das Ziel des möglichen Einsatzes, Mitteleinsatz, Einsatzregeln, Vorbehalte, Zeitdauer." Das Parlament werde eine vernünftig hergeleitete Kabinettsentscheidung sicherlich umfassend und kritisch beraten und dann abstimmen. "Aber ich sehe keinen Grund, von vornherein einen Einsatz grundsätzlich abzulehnen oder euphorisch zu begrüßen."
Der derzeitige Einsatz
Bis Ende Oktober diesen Jahres ist die Bundeswehr im Syrien-Krieg engagiert. Danach läuft das Mandat aus. Mit vier in Jordanien stationierten Tornado-Jets trägt sie zur Luftaufklärung im Kampf gegen den IS bei. Einem Sprecher des Verteidigungsministeriums zufolge flogen die Jets bisher knapp 2000 Einsätze. Ebenfalls vor Ort befindet sich ein Tankflugzeug der Bundeswehr, das die Kampfjets anderer Nationen in der Luft mit Kerosin versorgt.
Im Zentrum einer möglichen Diskussion um Bodentruppen dürfte die Frage stehen, inwieweit diese dazu beitragen könnten, die derzeitige - relative - Waffenruhe in Syrien zu stützen. In Folge dieser Waffenruhe sind zuletzt weniger Flüchtlinge aus Syrien nach Deutschland gekommen. Waren es im Jahr 2016 laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 266.000 Personen, sank ihre Zahl seitdem kontinuierlich. 2018 kamen rund 44.000 Syrer nach Deutschland, im laufenden Jahr sind es bislang rund 19.500.
Syrische Soldaten vor einem Plakat von Präsident Baschar al-Assad, Dezember 2017
Politische Lösung als Voraussetzung
In der Diskussion um den Einsatz von Bodentruppen wies der FDP-Bundestagsabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff auf die grundlegenden Schwierigkeiten eines erweiterten Einsatzes hin. "Solange es keine politische Lösung für Syrien gibt, brauchen wir über deutsche Bodentruppen nicht zu reden", sagte er der "Welt am Sonntag". Wenn Europa einen größeren Beitrag leiste, sei das nur unter einer Bedingung möglich: "dass Europa an der Erarbeitung einer neuen politischen Ordnung in Syrien gleichberechtigt beteiligt wird."
Lambsdorff deutet es an: Ein verstärkter Einsatz der Bundeswehr wäre auch ein politisches Engagement. Denn durch den Kampf gegen den IS würde das deutsche Heer zumindest unmittelbar auch die Regierung Assad stützen. Seit Jahren geht diese mit größter Brutalität gegen ihre Gegner vor und verschont auch die Zivilbevölkerung nicht.
Die Regierungstruppen, heißt es im World Report 2019 der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch", verwendeten eine Kombination "rechtswidriger Taktiken, einschließlich verbotener Waffen, wahlloser Streiks und Einschränkungen der humanitären Hilfe". Damit versuchten sie regierungsfeindliche Gruppen zur Kapitulation zu bringen, ein Umstand der zu Massenvertreibungen geführt habe. "Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppen griffen wahllos benachbarte, von der Regierung kontrollierte Gebiete an und schränkten die Fähigkeit der Zivilbevölkerung ein, den Feindseligkeiten zu entkommen."
Video ansehen05:55Tauziehen um Verfassungsreform
Derzeit geht die Regierung mit russischer Unterstützung gegen die letzte Rebellenhochburg des Landes in der Provinz Idlib vor. Die schweren Bombardements haben auch zivile Ziele getroffen. Die UNO warnt vor einer weiteren humanitären Katastrophe: Drei Millionen Menschen leben offiziell in diesem Gebiet im Nordwesten Syriens.
Ein erweiterter Einsatz der Bundeswehr würde unweigerlich auch die Frage nach der Beziehung Deutschlands oder Europas zur Regierung Assad aufwerfen.
Derzeit drängen die Europäer auf eine Verfassungsreform in Syrien, gegen die sich die syrische Regierung allerdings sträubt. Auch das dürfte in die Diskussion um die Modalitäten eines möglichen Einsatzes hineinspielen.
Inzwischen stellte die amerikanische Seite klar, dass sie primär nicht an einen Kampfeinsatz denkt. "Den IS kann man besser mit syrischen Ortskräften zurückdrängen", sagte der Beauftragte der US-Regierung für Syrien und für den Kampf gegen die IS-Miliz, James Jeffrey, der Nachrichtenagentur dpa. Er hatte am vergangenen Freitag Gespräche im Auswärtigen Amt geführt. "Aber man braucht eine bestimmte internationale Präsenz, um die Luftunterstützung sicherzustellen für Logistik, Ausbildung und technische Hilfe." Die angestrebte Mission solle einen Beitrag zur Stabilität im Nordosten Syriens leisten.
Engagement über dem syrischen Himmel: Bundesverteidigungsministerin von der Leyen auf dem Bundeswehrstützpunkt Al-Asrak in Jordanien
"Herausforderungen durch IS noch keineswegs verschwunden"
Grundsätzlich ist sich die Bundesregierung mit der US-Administration über die Notwendigkeit eines weiteren Engagements einig. "Die Herausforderung durch den sogenannten Islamischen Staat ist noch keineswegs verschwunden", so Regierungssprecher Seibert am Montag. "Es ist gelungen, Gebiete abzunehmen, die er vormals in Syrien und Irak gehalten hat. Aber die Herausforderung einer Gefahr durch den Islamischen Staat besteht weiterhin." Allerdings denke die Bundesregierung vor allem daran, den bisherigen Ansatz fortzuführen, deutete Seibert an: "Der deutsche Ansatz ist, dass wir unsere bisherigen Maßnahmen möglichst fortführen wollen."
Die Bundesregierung stehe der Anfrage grundsätzlich offen gegenüber, erklärte auch der Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter, Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Auswärtigen Ausschuss sowie stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss. Es gelte nüchtern die deutsche Interessenlage wie auch die Gefährdung zu bewerten, so Kiesewetter gegenüber der DW. "Sicherlich müssen auch die Rahmenbedingungen analysiert werden: rechtlicher Rahmen, was für Fähigkeiten, welche Partner, was ist das Ziel des möglichen Einsatzes, Mitteleinsatz, Einsatzregeln, Vorbehalte, Zeitdauer." Das Parlament werde eine vernünftig hergeleitete Kabinettsentscheidung sicherlich umfassend und kritisch beraten und dann abstimmen. "Aber ich sehe keinen Grund, von vornherein einen Einsatz grundsätzlich abzulehnen oder euphorisch zu begrüßen."
Der derzeitige Einsatz
Bis Ende Oktober diesen Jahres ist die Bundeswehr im Syrien-Krieg engagiert. Danach läuft das Mandat aus. Mit vier in Jordanien stationierten Tornado-Jets trägt sie zur Luftaufklärung im Kampf gegen den IS bei. Einem Sprecher des Verteidigungsministeriums zufolge flogen die Jets bisher knapp 2000 Einsätze. Ebenfalls vor Ort befindet sich ein Tankflugzeug der Bundeswehr, das die Kampfjets anderer Nationen in der Luft mit Kerosin versorgt.
Im Zentrum einer möglichen Diskussion um Bodentruppen dürfte die Frage stehen, inwieweit diese dazu beitragen könnten, die derzeitige - relative - Waffenruhe in Syrien zu stützen. In Folge dieser Waffenruhe sind zuletzt weniger Flüchtlinge aus Syrien nach Deutschland gekommen. Waren es im Jahr 2016 laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 266.000 Personen, sank ihre Zahl seitdem kontinuierlich. 2018 kamen rund 44.000 Syrer nach Deutschland, im laufenden Jahr sind es bislang rund 19.500.
Syrische Soldaten vor einem Plakat von Präsident Baschar al-Assad, Dezember 2017
Politische Lösung als Voraussetzung
In der Diskussion um den Einsatz von Bodentruppen wies der FDP-Bundestagsabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff auf die grundlegenden Schwierigkeiten eines erweiterten Einsatzes hin. "Solange es keine politische Lösung für Syrien gibt, brauchen wir über deutsche Bodentruppen nicht zu reden", sagte er der "Welt am Sonntag". Wenn Europa einen größeren Beitrag leiste, sei das nur unter einer Bedingung möglich: "dass Europa an der Erarbeitung einer neuen politischen Ordnung in Syrien gleichberechtigt beteiligt wird."
Lambsdorff deutet es an: Ein verstärkter Einsatz der Bundeswehr wäre auch ein politisches Engagement. Denn durch den Kampf gegen den IS würde das deutsche Heer zumindest unmittelbar auch die Regierung Assad stützen. Seit Jahren geht diese mit größter Brutalität gegen ihre Gegner vor und verschont auch die Zivilbevölkerung nicht.
Die Regierungstruppen, heißt es im World Report 2019 der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch", verwendeten eine Kombination "rechtswidriger Taktiken, einschließlich verbotener Waffen, wahlloser Streiks und Einschränkungen der humanitären Hilfe". Damit versuchten sie regierungsfeindliche Gruppen zur Kapitulation zu bringen, ein Umstand der zu Massenvertreibungen geführt habe. "Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppen griffen wahllos benachbarte, von der Regierung kontrollierte Gebiete an und schränkten die Fähigkeit der Zivilbevölkerung ein, den Feindseligkeiten zu entkommen."
Assads Folterer in Deutschland vor Gericht
Derzeit geht die Regierung mit russischer Unterstützung gegen die letzte Rebellenhochburg des Landes in der Provinz Idlib vor. Die schweren Bombardements haben auch zivile Ziele getroffen. Die UNO warnt vor einer weiteren humanitären Katastrophe: Drei Millionen Menschen leben offiziell in diesem Gebiet im Nordwesten Syriens.
Ein erweiterter Einsatz der Bundeswehr würde unweigerlich auch die Frage nach der Beziehung Deutschlands oder Europas zur Regierung Assad aufwerfen.
Derzeit drängen die Europäer auf eine Verfassungsreform in Syrien, gegen die sich die syrische Regierung allerdings sträubt. Auch das dürfte in die Diskussion um die Modalitäten eines möglichen Einsatzes hineinspielen.
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