Der Ballbesitzfußball ist tot

Der Ballbesitzfußball ist tot


Bei der Frauen-WM läuft es wie bei den Männern: Spanien spielt und passt und passt und spielt. Die Deutschen kämpfen, rennen und schießen. Raten Sie mal, wer gewinnt.

Wie ging es aus?

Deutschland – Spanien 1:0 (1:0)
Tor: 1:0 Däbritz (42.)

Wie fiel das Tor?

Kurz vor der Halbzeit gelang den bis dahin unterlegenen Deutschen ein Angriff. Lena Goeßling schlug einen Pass auf den Flügel, Svenja Huth näherte sich dem Ball mit Trippelschritten, flankte auf Alexandra Popp, Kopfball, abgewehrt, und dann grätschte Sara Däbritz aus Amberg in der Oberpfalz den Ball ins Tor. Spanien hatte geholfen. Die Torfrau ließ den Ball fallen, auch noch in die gefährliche Zone. Die Abwehrspielerin hätte die Situation noch klären können, hielt aber kurz Siesta. Es hat schon schönere Tore gegeben, das ist klar. Unklar ist, ob es schon nichtschönere Tore gegeben hat. Zweifellos jedenfalls waren solche ästhetischen Debatten zweitrangig, denn Däbritz' Tor, die nun von Bayern zu Paris St. Germain wechselt, sicherte Deutschland im zweiten Gruppenspiel den zweiten 1:0-Sieg.

Wie war Spanien?

Das war guter und sehenswerter Fußball. Spaniens Frauen haben einen raschen Aufstieg hinter sich. Erstmals nahmen sie 2015 an einer WM teil, sie sind also überhaupt erst zum zweiten Mal dabei. Die neue Stärke liegt daran, dass Atlético Madrid und FC Barcelona, wo die meisten Spielerinnen unter Vertrag stehen, inzwischen in den Frauenfußball investieren. Und auch die Frauen beherrschen unverkennbar den spanischen Ballbesitzstil. Die Protagonistin heißt Jennifer Harmoso, die beste Technikerin auf dem Feld mit der Nummer 10.
Vor allem in der Spielanlage waren die Spanierinnen den Deutschen deutlich überlegen. Die Statistik wies sie als klare Siegerinnen in den Punkten Pässe, Passquote und Ballbesitz aus. Allerdings vergaßen sie, alte Vorbehalte gegen den brotlosen Ballbesitzfußball bestätigend, das Toreschießen oder vergaben die Chancen. Manche Expertinnen fordern ja, die Tore im Frauenfußball zu verkleinern. Für die Spanierinnen müsste man sie vergrößern. Oder vielleicht an die Seite stellen. Oder gleich ganz weg lassen.

Wie gewannen die Deutschen?

Auch sie erfüllten die Klischees. Würde man aus den meistverwendeten Wörtern der deutschen Field-Interviews nach dem Spiel eine Tag Cloud erstellen, wären die Begriffe ArbeitFleißDisziplin große Wolken. Deutschland gewann, neben dem Spiel, noch die Statistikwertung Laufleistung. Und sicher auch die meisten Kopfbälle und Zweikämpfe. Der Einsatz war groß, einmal sprang die Abwehrspielerin Kathrin Hendrich im Stile einer Rammziege in die spanische Torfrau.

Doch auch die Deutschen zeigten was mit dem Ball. In Abwesenheit der verletzten Spielmacherin Dzsenifer Marozsán gefiel Klara Bühl, die nach der Pause eingewechselt wurde. Die 18-Jährige aus dem Schwarzwald flankte präzise, tunnelte ihre Gegnerin und drehte sich schnell um sie. Das erinnerte an einen Sané Move. Es fiel kein Tor mehr, aber Bühl machte Lust auf die kommenden Spiele.

Was bedeutet das Ergebnis für das Turnier?

Deutschland ist mit sechs Punkten so gut wie fürs Achtelfinale qualifiziert. Zwar kann die Elf der Trainerin Martina Voss-Tecklenburg auch mit sechs Punkten noch Dritter werden, doch selbst die vier besten der sechs Gruppendritten kommen weiter. Am Montag ist ohnehin mit einem Sieg gegen Südafrika, dem schwächsten Team der Gruppe, zu rechnen. Die Spanierinnen müssen sich dann gegen die sportlich tretenden Chinesinnen behaupten. Der Ballbesitzfußball wird gerne totgesagt, doch mit Spaniens Frauen ist in der Zukunft zu rechnen, vielleicht sogar noch in diesem Turnier.

https://www.zeit.de/sport/2019-06/frauenfussball-wm-2019-deutschland-spanien-sara-daebritz-klara-buehl

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