Chef der Ständigen Impfkommission lobt russischen Impfstoff
Im Rennen um den ersten Impfstoff gegen Covid-19 lagen die russischen Forscher vorn. Das Tempo löste auch Skepsis aus. Stiko-Chef Thomas Mertens glaubt trotzdem an eine Zulassung in der EU.
Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, hat den russischen Coronaimpfstoff Sputnik V gelobt. »Das ist ein guter Impfstoff, der vermutlich auch irgendwann in der EU zugelassen wird. Die russischen Forscher sind sehr erfahren mit Impfungen. Sputnik V ist clever gebaut«, sagte Mertens der »Rheinischen Post«.
Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA prüft die Zulassung von Sputnik V noch. In der EU sind bisher die Vakzinen der drei Hersteller Pfizer/Biontech, Moderna und AstraZeneca zugelassen. Am 11. März will die EMA voraussichtlich auch die Zulassung des Impfstoffes des US-Herstellers Johnson & Johnson empfehlen.
Russland hatte Sputnik V bereits im vorigen Sommer zugelassen, obwohl bis dahin wichtige Tests noch nicht erfolgt waren. Das hatte international für heftige Kritik gesorgt. Forscher meldeten zudem Zweifel an der Studie zur Wirksamkeit von Sputnik V an und kritisierten, dass die Daten nicht öffentlich zugänglich seien.
Ungarn setzt Sputnik V schon ein
Normalerweise gibt die Ema eine Empfehlung ab, ob ein Impfstoff in der EU zugelassen werden sollte. Allerdings können einzelne EU-Länder auch Notfallzulassungen erlassen. Für diesen Weg hat sich beispielsweise Ungarn entschieden. Dort wird Sputnik V bereits eingesetzt, auch Tschechien prüft eine nationale Zulassung.
In der Slowakei hat Sputnik V sogar eine Staatskrise ausgelöst, nachdem der slowakische Ministerpräsident Igor Matovič eigenmächtig Dosen des Impfstoffs bestellt hatte – nach Geheimverhandlungen mit Russland und gegen den ausdrücklichen Willen seiner Koalitionspartner, berichtet unter anderem die Deutsche Welle. Die ersten 200.000 Dosen des Impfstoffs sind bereits in der Slowakei eingetroffen.
Jüngst warnte eine hochrangige Ema-Mitarbeiterin EU-Staaten davor, dem russischen Impfstoff Sputnik V eine Notfallzulassung zu erteilen, solange das Mittel noch nicht von der Ema geprüft worden ist. Es sei noch zu viel unbekannt, entscheidende Daten von Geimpften lägen nicht vor, sagte Christa Wirthumer-Hoche in der Talkrunde »Im Zentrum« des ORF. »Deswegen würde ich dringend davon abraten eine nationale Notfallzulassung auszusprechen.« Eine Zulassung schloss auch sie nicht aus, wenn alle Daten geprüft worden seien. Die Macher von Sputnik wiesen die Kritik zurück und forderten eine Entschuldigung.
Mertens wollte keine Prognose abgeben, wann alle, die das wollen, in Deutschland geimpft sind. »Ungern«, sagte er auf eine entsprechende Frage im Interview mit der »Rheinischen Post«. »Ich hoffe zumindest darauf, dass wir die Lage bis Herbst so weit im Griff haben, dass der Effekt der Impfungen deutlich sichtbar wird«, sagte der Stiko-Chef. Schon jetzt sei ein massiver Rückgang von schweren Erkrankungen und Todesfällen in den Alten- und Pflegeheimen festzustellen.
Mertens zeigte sich zudem »sicher«, dass es auch bald Coronaimpfstoff für Kinder geben werde. Derzeit untersuchten die Hersteller in Studien, wie ihre Mittel bei Kindern wirkten. Bei einer zeitlichen Prognose blieb der Stiko-Chef vorsichtig. »Ich bin mir nicht sicher, ob das dieses Jahr noch etwas wird«, sagte er. »Vielleicht können wir Ende des Jahres mit der Impfung der Kinder beginnen.«
Sputnik V soll von Juli an auch in Italien produziert werden, wie die italienisch-russische Handelskammer am Dienstag in Rom mitteilte. Die Firma Adienne Srl. in der Lombardei – eine Tochter des Schweizer Pharmaunternehmens Adienne Pharma & Biotech – solle den Impfstoff herstellen. Der Handelskammer zufolge wurde eine entsprechende Vereinbarung mit dem staatlichen russischen Direktinvestitionsfonds RDIF geschlossen, der an der Sputnik-Entwicklung beteiligt ist.
Den Angaben zufolge könnten bis Ende des Jahres in Norditalien zehn Millionen Dosen produziert werden. Die italienische Botschaft in Moskau sei in die Verhandlungen eingebunden gewesen. Die italienische Nachrichtenagentur Ansa zitierte den Präsidenten der Handelskammer, Vincenzo Trani, mit der Aussage, dass die Produktion nicht gleichbedeutend mit der Verteilung des Impfstoffs im Land sei. Italien wende sich nicht von der EU ab. Auch andere europäische Firmen würden sich in diese Richtung bewegen.
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