Kanzleramt schlägt Einschränkung des Bewegungsradius der Bürger vor
Ein Vorschlag aus dem Kanzleramt sorgt schon vor dem Beginn der Lockdown-Beratungen für Diskussionen unter den Ministerpräsidenten. So könnte in betroffenen Regionen der Aktionsradius der Bürger eingeschränkt werden. In Sachsen gilt bereits eine solche Regelung.
Vor den Beratungen der Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über eine Verlängerung der Lockdown-Maßnahmen in der Corona-Krise diskutieren die Regierungschefs nach WELT-Informationen konkret auch über eine Einschränkung des Aktionsradius der Bürger. Demnach könnte in besonders von der Pandemie betroffenen Regionen verfügt werden, dass sich die Menschen nur noch in einem bestimmten Radius von der eigenen Wohnung entfernen dürfen.
Ein solcher Vorschlag kam laut „Business Insider“ aus dem Kanzleramt. Experten wie Mediziner und Epidemiologen hatten ihn zur Eindämmung des Virus zuletzt gefordert. Es war aber noch offen, ob der Punkt wirklich in das Beschlusspapier aufgenommen wird. Eine Entscheidung sollte es erst in der Runde am Nachmittag geben. Der ursprünglich für 11.00 Uhr geplante Auftakt wurde um zwei Stunden nach hinten geschoben.
Umgesetzt wird eine solche Regelung bereits in Sachsen, wo ein 15-Kilometer-Radius gilt. Auch Thüringen will eine solche Maßnahme ergreifen. Beide Bundesländer sind derzeit besonders hart von der Pandemie betroffen. Ob die Maßnahme tatsächlich bundesweit zum Einsatz kommt und ab welchen Inzidenzwerten sie greifen soll, ist derzeit noch unklar – das Kanzleramt hatte offenbar eine Orientierung an einem Wert von 100 Fällen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gefordert.
Die 100er-Indizenz würde bedeuten, dass fast die ganze Republik mit neuen Einschränkungen rechnen muss. Die innerdeutsche Reisetätigkeit käme damit völlig zum Erliegen. Die Beratungen mit der Kanzlerin beginnen um 13 Uhr. Sie sollten ursprünglich um 11 Uhr beginnen, wurden aber auf Grund von Beratungsbedarf der Ministerpräsidenten vorschoben.
Ramelow: „Wir werden es noch viel schärfer angehen müssen“
Zuvor hatte sich Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) nicht nur für verlängerte, sondern auch schärfere Corona-Beschränkungen ausgesprochen. „Ich werde heute in der Ministerpräsidentenkonferenz auf der Seite derjenigen argumentieren, die sagen: Wir werden es noch viel schärfer und viel härter angehen müssen“, sagte Ramelow am Dienstag im Deutschlandfunk.
„Ich habe lange gedacht, dass wir besser durch die Krise kommen.“ Aber da habe man sich getäuscht, sagte Ramelow, der im Sommer Verfechter eines Lockerungskurses war.
Er sprach sich außerdem gegen eine Öffnung der Schulen und der Kindergärten aus. Statt über Öffnungen zu debattieren, müssten sich alle besser zurückziehen. So hätte man eine Chance, das Gesundheitswesen zu schützen, sagte der Ministerpräsident.
Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hält eine Verlängerung der Maßnahmen für sinnvoll. Die Einschränkungen seien zwar massiv, „die Zahlen zeigen aber auch, dass es keine Entwarnung gibt und dass wir den Shutdown fortsetzen müssen“, sagte sie im ARD-„Morgenmagazin“. Auch angesichts der Virusmutation in Großbritannien zeigte sich Schwesig besorgt. Sollte die Mutation auch Deutschland erreichen, dann „müssen wir darüber sprechen, ob Kontaktbeschränkungen weiter verschärft werden müssen“.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) rechnet damit, dass die Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie bis Ende Januar verlängert werden. Es gebe zwar eine positive Entwicklung bei den Inzidenzzahlen, aber leider noch gar keine Entlastung im Klinikbereich, sagte Müller am Dienstag dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB).
Hans: Lockdown kann erst bei Inzidenz von 50 beendet werden
Angesichts weiterhin hoher Corona-Infektionszahlen hatte sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bereits für eine Verlängerung bis mindestens Ende Januar ausgesprochen. Auch der hessische Regierungschef Volker Bouffier (CDU) geht nach Angaben der Staatskanzlei vom Wochenende von Corona-Beschränkungen des öffentlichen Lebens über den 10. Januar hinaus aus.
In der Diskussion über eine Verlängerung des Lockdowns sollte nach Ansicht des saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans (CDU) nicht immer mit Blick auf ein bestimmtes Datum gedacht werden. „Der Lockdown kann erst beendet werden, wenn wir eine Inzidenz von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Menschen in sieben Tagen haben. Denn nur dann haben wir das Virus wieder unter Kontrolle“, sagte Hans am Dienstag der Redaktion „Radiowelt“ des Bayerischen Rundfunks (Bayern 2). Er ging für die Beratungen am heutigen Dienstag von einer Verlängerung des Mitte Dezember beschlossenen Lockdowns aus.
Hans zeigte sich zuversichtlich, dass eine einheitliche Regelung gefunden werde: „Ich glaube, es tut wirklich Not, diese einheitliche Linie zu haben. Unser Föderalismus steht unter Druck in dieser pandemischen Krise und deswegen sind wir Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten auch gut beraten, für diese Einheitlichkeit, für diesen Schulterschluss zu sorgen.“
Kein Mensch könne derzeit einschätzen, wie sich die Feiertage auf die Entwicklung der Corona-Zahlen wirklich ausgewirkt hätten. „Wir haben eine Variante des Virus, die aus Großbritannien und Südafrika ins Land zu kommen droht. Und es geht darum, eine dritte Welle zu verhindern“, sagte Hans weiter in dem Interview.
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