Willy Wimmer: „Die USA werden weiter mit sich selbst beschäftigt sein“

Willy Wimmer: „Die USA werden weiter mit sich selbst beschäftigt sein“
„Das ist vielleicht für den Rest der Welt das Beste, was passieren kann“, meint CDU-Urgestein Willy Wimmer in seiner ersten Analyse der Präsidentschaftswahlen in den USA, die der ehemalige deutsche Spitzenpolitiker lieber auf CNN und BBC, als auf ARD und ZDF verfolgt hat. Von einem Präsidenten Joe Biden erwartet Wimmer kaum Gutes für die Welt.- Herr Wimmer, ich weiß nicht, ob Sie die Berichterstattung in den deutschen Medien und vor allem im deutschen Fernsehen am Vorabend der Wahlen in den USA verfolgt haben. Zwei Dinge waren auffällig. Erstens das Brimborium, was gemacht wurde mit stundenlangen Live-Schaltungen, Interviews und Reportagen, als wenn es sich um Wahlen in Deutschland halten würde. Und zweitens die einseitige Verdammung von Donald Trump und quasi ein Herbeisehnen des „Erlösers Joe Biden. Wie haben Sie das erlebt?
Ich habe in den letzten Tagen aus guten Gründen nur CNN und BBC geschaut. Das ist doch eine andere Berichtserstattung als das "im Trüben fischen", wie es ARD und ZDF und andere deutsche Sender praktizieren. Das ist also an mir vorbeigegangen. So fühle ich mich ganz ordentlich informiert.
Man kann ja derzeit nicht sagen, wie es weitergeht. Wir haben eine Unsicherheit vor dem Sturm. Um die Wahlergebnisse kann es ja noch zu einer Auseinandersetzung vor Gericht kommen.Sollte jedoch Joe Biden das Rennen machen, sollten wir uns alle daran erinnern, dass er, mehr als jeder andere, für den Kriegskurs von Obama stand. Wenn der drankommt, dann rollen die Panzer.In Deutschland würde das dazu führen, dass die Grünen als die neue deutsche Kriegspartei in jedem Fall der nächsten Regierung angehören müssen. Ohne die Grünen in der Regierung würden sich die meisten Deutschen gegen Krieg entscheiden. Die Grünen wären Bidens Schlüssel für eine deutsche Kriegsbeteiligung.Man kann über Donald Trump sagen, was man will, aber sein Vermächtnis ist, gegen Krieg zu sein. Der ist vor vier Jahren auch gewählt worden, weil die Amerikaner Kriege satt hatten. Das wird spannend werden mit einem Senat, der, wie es im Moment aussieht, republikanisch bleibt.Und noch einmal in Bezug auf Deutschland: Trump stand ja am Anfang ausgesprochen für eine Verständigung mit der Russischen Föderation. Dabei ist ihm die Bundeskanzlerin in den Rücken gefallen. Tragischer kann es für Deutschland nicht sein.- Wobei Trump beim Thema Russland auch zuhause in den USA die Hände gebunden waren. Für weitere vier Jahre Trump scheint niemand ein Konzept zu haben, weder in Europa, noch in Amerika. Wäre das wirklich so schlimm?Das ist deshalb hier so konzeptionslos, weil sich die europäischen Regierungen auf dem Feld der Globalisten tummeln, also Kräfte, die, nach eigenen Erklärungen, die parlamentarische Demokratie und den Nationalstaat abschaffen wollen. Die können also gar nicht mehr konzeptionell denken, weil sie sich auf einem völlig anderen Dampfer befinden. Das merken wir sowohl in der Innen-, wie in der Außenpolitik.- Sollte Trump die Wahl verlieren, gibt es dann Unruhen in den USA?Wir müssen sehen, dass das amerikanische Wahlsystem extrem störanfällig ist. So ist auch Missbrauch nicht auszuschließen. Und es gibt ja auf beiden Seiten ganze Divisionen von Anwälten, die dann die Schlacht ausfechten werden. Und die große Frage ist dann, wenn dieser Kampf weiter geht und auf die Spitze getrieben wird, ob anschließend die Gewehrläufe die Entscheidung treffen werden. Das ist ein Ritt auf der Rasierklinge in den Vereinigten Staaten, wie man ihn sich schlimmer gar nicht ausmalen kann.- Meinen Sie, dass Joe Biden, wenn er gewinnen sollte, die beiden Lager versöhnen kann?Er ist darauf angewiesen, diesen Weg zu gehen, denn ohne diese Versöhnung, was immer dies bedeutet, gibt es keine Rückkehr zur republikanisch-demokratischen Kriegsallianz in Washington. Das wäre also die Voraussetzung dafür, dass Biden wieder die Kriegspolitik von Obama aufnehmen kann. Dann fließt global wieder Blut. Das war schon bei Hillary Clinton die Befürchtung und ist bei einem Sieg von Biden umso realistischer.- Hat Joe Biden die Kraft dazu? Er wirkt doch zuweilen etwas instabil in seinem Auftreten.Als außenstehender Beobachter bekommt man fast den Eindruck, man hat Joe Biden in diese Rolle gebracht, um die tiefen Risse in der demokratischen Partei nicht nach draußen treten zu lassen. Und um ihm die Möglichkeit einzuräumen, mit der Vizepräsidentschaftskandidatin Harris in die nächsten vier Jahre zu gehen mit der Aussicht, dass Harris als nächste Präsidentschaftskandidatin aufgestellt wird. Das scheint die konzeptionelle Perspektive der Demokraten zu sein.- Zumal ja noch immer Korruptionsvorwürfe gegen Biden im Raum stehen, auch wenn versucht wurde, das unter den Teppich zu kehren. Meinen Sie, das Thema ist abgeschlossen?In den USA ist in Anbetracht der Entwicklungen noch nichts abgeschlossen. Die Auseinandersetzung wird weitergehen. Der derzeitige Stand der Stimmabgabe bei der Wahl zum Präsidenten, zum Senat und zum Repräsentantenhaus deutet im Prinzip auf eine Fortsetzung der Situation der letzten vier Jahre hin, nur möglicherweise mit einem demokratischen Präsidenten an der Spitze. Alles spricht dafür, dass sich die USA weiter mit sich selbst beschäftigen werden. Das ist vielleicht für den Rest der Welt das Beste, was passieren kann.- Die US-Wahl verläuft wieder denkbar knapp. Wieso lagen die Demoskopen, die Biden mit 10 Prozent vorne sahen, wieder so falsch?Wenn man sich das Wahlsystem in den Vereinigten Staaten ansieht, ist das ja in weiten Teilen von Tricksen und Täuschen bestimmt. Jeder nutzt seine temporäre Mehrheit, um die Wahlkreise so zurechtzuschneidern, dass die andere Partei möglichst keine Chance hat, gewinnen zu können. So etwas können sie mit Umfragen nicht erfassen. - Taugt die amerikanische Demokratie überhaupt noch als Vorbild für uns?Sie ist eigentlich für uns auch bisher nur bedingt ein Vorbild gewesen. Das wurde uns nur zwangsläufig aufoktroyiert nach dem Zweiten Weltkrieg. Wenn ich in die deutsche Geschichte zurückschaue bis zur Zeit der Hanse, hatten wir schon demokratische Strukturen in diesem Land, als Amerika noch gar nicht entdeckt war.

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