Wo steckt man sich am ehesten mit Corona an?
In der Bahn, im Fußballstadion, im Restaurant oder doch eher in der Familie? Wo ist das Ansteckungsrisiko für das neuartige Coronavirus am größten? Eine Forscherin hat versucht, die Erkenntnisse dazu aus verschiedenen Studien zusammenzutragen.
Die britisch-türkische Virologin Muge Cevik von der britischen University of St. Andrews hat auf Twitter einen sogenannten Thread veröffentlicht, in dem sie zwanzig weltweite Studien und deren Erkenntnisse zum Ansteckungsrisiko mit COVID-19 aufführt.
Am meisten Übertragung in geschlossenen Räumen
Was lässt sich ablesen aus Studien zur Kontaktverfolgung und zum Testen bestimmter Gruppen in Bezug auf die Übertragung und die Risikoräume der neuen Viruserkrankung?
Die britische Forscherin weist in ihrem Fazit der Studien daraufhin, dass anscheinend ein enger und längerer Kontakt nötig ist, um COVID-19 zu übertragen.
Am höchsten ist demnach das Risiko in geschlossenen Räumen, wie Haushalten, Pflegeeinrichtungen, öffentlichen Transportmitteln, Großraumbüros, überfüllten Restaurants und Cafés und dergleichen.
Hier sieht Cevik auch die Hauptquellen für massive Übertragungen. Entsprechend sollten gerade in Büros oder Restaurants Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, es sollten neue Lüftungssysteme eingebaut und Hygieneeinrichtungen bereitgestellt werden.
Generell sieht die Virologin eine höhere Ansteckungsgefahr in dicht besiedelten Großstädten und bei Großveranstaltungen.
Flüchtige Begegnungen tragen dagegen, laut Cevik, eher nicht zu einer Ausbreitung der Pandemie bei.
Ansteckung bei Feiern und in Heimen
Die britische Forscherin führt in ihrer Tweet-Sammlung weitere durch Studien belegte Orte und Anlässe mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko auf. Dies sind meist enge Zusammenkünfte von Personen aus unterschiedlichen Haushalten, wie Kirchenbesuche, Begräbnisse, gemeinsame Mahlzeiten, Geburtstagsfeiern. Eine Studie aus den USA weist explizit auf die Ansteckungsgefahr bei Familienfeiern hin.
Einen eher unfamiliären Ort der Ansteckung macht eine andere Studie aus den USA aus. Demnach kommt es in Obdachlosenheimen zu einer erhöhten Übertragung der Sars-CoV-2-Viren. Die meisten Betroffenen zeigten außerdem keine Symptome.
Auch Pflegeheime sind Orte erhöhter Übertragung, wie eine Studie aus Seattle zeigt. Ganze 64 Prozent der Bewohner hatten sich mit dem Virus angesteckt, wobei 50 Prozent von ihnen keine Symptome zeigten.
Ansteckung bei Freunden und Familie
Cevik erwähnt in ihrer Tweet-Sammlung zuerst eine Studie aus China, in der 2147 enge Kontakte von 157 Corona-Infizierten untersucht wurden. Sechs Prozent der Kontaktpersonen steckten sich insgesamt an. Ein erhöhtes Risiko fanden die Wissenschaftler unter Freunden (18 Prozent) und im eigenen Haushalt (22 Prozent). Örtlich betrachtet fanden die Forscher den eigenen Haushalt (13 Prozent) am gefährlichsten für eine Ansteckung, gefolgt von Transportmitteln (11 Prozent) und gemeinsamen Essen (7 Prozent).
Auch weitere Studien aus China und anderen Ländern kommen zu dem Schluss, dass vor allem geschlossene Räume wie Transportmittel oder ein besonders enger Kontakt, wie er unter Familienmitgliedern herrscht, zu einem erhöhten Ansteckungsrisiko beitragen.
Wer steckt wen im Haushalt an?
Eine weitere von Cevik aufgeführte Studie, ebenfalls aus China, kommt zu dem Schluss, dass sich in einem Haushalt am ehesten der Ehepartner ansteckt (28 Prozent). Generell kommt es mit einer Wahrscheinlichkeit von 17 Prozent eher zu einer Ansteckung von Erwachsenen, als von Kindern (4 Prozent). Die Übertragung des Virus geht laut der meisten Studien von Erwachsenen und nicht von Kindern aus. Während in einer Studie aus Singapur gar kein Haushalt gefunden wurde, in dem Kinder Erwachsene angesteckt hätten, kam eine Studie aus Australien bei 31 untersuchten Haushalten auf eine Quote von 9,7 Prozent, bei denen die Ansteckung von den Kindern ausging.
Anzeichen für geringe Ansteckung von Kindern mehren sich
Die Forscherin schlussfolgert aus den Studien, dass die Wahrscheinlichkeit, an COVID-19 zu erkranken mit dem Alter steigt und dass Kinder weniger ansteckend sind und nur eine geringe Rolle bei der Übertragung und als Beschleuniger der Pandemie spielen.
Besonders beeindruckt zeigt sich Cevik von einer Studie aus Frankreich, in der die Gäste einer Berghütte in den Alpen untersucht wurden, nachdem ein Gast aus England positiv auf COVID-19 getestet wurde. Der Engländer hatte 11 der 15 Gäste angesteckt. Darunter befand sich ein Kind. Dieses Kind hat anschließend, trotz Symptomen der Krankheit, noch dreimal eine Skischule besucht und hatte dort Kontakt zu 172 Personen. Als diese wiederum getestet wurden, hatte nur ein weiteres Kind Corona, während 33 weitere Kinder mit Grippe infiziert waren. Und das andere an COVID-19 erkrankte Kind wurde nicht einmal von dem Mädchen aus der Berghütte angesteckt. In der Studie heißt es: „Der Fakt, dass das infizierte Kind die Krankheit trotz enger Kontakte in der Skischule nicht übertragen hat, deutet an, dass es bei Kindern möglicherweise andere Übertragungsdynamiken gibt.“
Cevik erwähnt auch eine Studie aus Island, bei der 9199 Menschen aus der Bevölkerung getestet wurden. 564 davon waren Kinder unter zehn Jahren, von denen nur 38 positiv auf COVID-19 getestet wurden. Das entspricht einer Quote von 6,7 Prozent. Die Untersuchung deutet außerdem an, dass die Ansteckungsgefahr mit zunehmendem Alter steigt.
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