„Europa braucht keine Binnengrenzkontrollen“ - Bundespolizei zwischen Lob und Kritik

„Europa braucht keine Binnengrenzkontrollen“ - Bundespolizei zwischen Lob und Kritik
Grenzkontrollen, die zur Infektionseindämmung eingeführt wurden, haben sich positiv auf die Kriminalitätsbekämpfung ausgewirkt. Nun hat das BMI Lockerungen angekündigt. Empört zeigt sich die AfD. Die Bundespolizeivertretung spricht sich gegen anhaltende Binnengrenzkontrollen aus. Aber: „Völlig ohne Kontrollen wird es nicht gehen“.
1.898 Personen wurden seit dem 16. März von den Grenzbeamten aufgegriffen, die zur Fahndung ausgeschrieben waren. Das teilte die Bundespolizei der "Welt am Sonntag" mit. Die Beamten erzielten zudem 291 Sachfahndungstreffer. Damit konnten bis einschließlich 6. Mai 2.160 Straftaten aufgeklärt werden. Auch gingen laut Bundespolizei wegen der Kontrollen illegale Migrationsbewegungen deutlich zurück.
AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen begrüßte die Erfolge der Bundespolizei: „Seit Jahren erzählt uns Frau Merkel, man könne unsere Grenze nicht schützen, und es stünde deshalb auch nicht in unserer Macht, wie viele Armutsmigranten in unser Land kämen. Nun stellt sich heraus: Oh doch, man kann! Unsere Polizei ist dazu sogar ganz hervorragend in der Lage, wie sie in der aktuellen Corona-Krise eindrucksvoll beweist.“

Widerstand gegen Grenzkontrollen

Unerwähnt ließ Meuthen scharfe Kritik an den Einschränkungen. In einem Brandbrief vom 1. Mai an Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn berichteten 13 Bürgermeister aus Deutschland und Luxemburg, die anfängliche „Akzeptanz“ gegenüber den Grenzkontrollen schlage zunehmend „in Wut und Unverständnis“ um.
„Unsere Bürger verlieren nicht nur das Vertrauen in Europa, sondern entwickeln auch eine Abneigung gegenüber unseren deutschen Partnern.“
Asselborn reagierte und wandte sich an Bundesinnenminister Horst Seehofer: „Die Grenzschließungen und Kontrollen verursachen einen immer größer werdenden Unmut in der Bevölkerung auf beiden Seiten der Grenze und riskieren, das grenzüberschreitende Zusammenleben in der Großregion dauerhaft zu schädigen", warnte der Minister.

Seehofer gibt nach?

Am Mittwoch hat das Bundesinnenministerium angekündigt, die Grenzkontrollen zu lockern. Seehofer sagte, künftig dürften wieder alle Übergänge an den Grenzen zu Frankreich, Österreich und der Schweiz genutzt werden. Statt systematischer Kontrollen werde es dort nur noch „Stichprobenkontrollen“ geben. Beides ist vor allem für Berufspendler wichtig, die in den vergangenen Wochen oftmals Staus und Umwege in Kauf nehmen mussten. An der Grenze zu Luxemburg könne er verantworten, die Kontrollen am kommenden Wochenende ganz zu beenden, sagte Seehofer. Diese sollen ab Samstag nicht mehr stattfinden. Seehofer widersprach den Darstellungen, die Lockerungen hingen mit den entsprechenden Warnungen aus Luxemburg zusammen.An den Grenzen zu Frankreich, Österreich und der Schweiz sollen die Kontrollen bis zum 15. Juni fortgesetzt werden.
Empört zeigt sich die AfD: „Wir müssen jetzt für unsere Bürger sorgen. Eine Neuauflage der Politik offener Grenzen und unkontrollierter Massenmigration können wir uns nicht leisten“, monierte die AfD-Innenpolitikerin Beatrix von Storch via Twitter.

Bundespolizei: „Europa braucht keine Binnengrenzkontrollen“

„Wir leben in Europa. Europa, da sind wir uns alle einig, braucht keine Binnengrenzkontrollen“, sagte gegenüber Sputnik Roland Voss, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft der Polizei (GdP) – Bezirk Bundespolizei. Gleichzeitig mahnt er, dass es völlig ohne Kontrollen, ohne Polizei an den Grenzen nicht funktionieren werde. Es gehe darum, Europa sicher zu machen. „Deswegen ist es gut, dass wir in der Vergangenheit, genauso wie in der Gegenwart, aber auch in der Zukunft an den Grenzen da sind“, so der Bundesbeamte.
Dabei unterscheide er: „In besonderen Maßnahmen sind Kontrollen im Grenzgebiet sicherlich notwendig, genauso wie derzeit Kontrollen an der Grenze zur Einschränkung der Pandemie erforderlich sind. Dass das eine sehr erfolgreiche Arbeit ist, unterstreichen eindrucksvoll die Zahlen. Deswegen ist es auch gut, dass wir im Lichte der Infektionsentwicklung Stück für Stück zu mehr Normalität in Europa gelangen.“

„Binnengrenzkontrollen kein Widerspruch zu einem freien Europa“

Die Position der Rechtskonservativen wollte Voss im Sputnik-Interview nicht kommentieren. Gleichzeitig betonte er:
„Wir wollen, dass Europa sicher ist, dass Europa vernünftig den Menschen die größtmögliche Freizügigkeit gewährleisten kann, und wir wollen natürlich, wenn das erforderlich ist, auch entsprechend mit der Polizei dort sein, wo wir gebraucht werden.“
Aus Sicht der GdP seien Binnengrenzkontrollen kein Widerspruch zu einem freien Europa, sondern diese machten die EU-Mitgliedsstaaten sicherer.
Voss wirbt aber um ein Verständnis für die Arbeit der Polizeibehörden „diesseits und jenseits der Grenze“. „Ich glaube, wenn die Politik diesen Punkt aufgreift, müssen wir gerade, was die Zusammenarbeit der Polizei in Europa angeht, weiterentwickeln. Wir brauchen neue Maßnahmen innerhalb der Polizeibehörden.“ So fordere díe GdP gar eine „europäische Mitarbeitervertretung“, um eine Weiterentwicklung auch unter „sozialen Standards“ zu ermöglichen.Die Kontrollen an den Grenzen zu Luxemburg, Dänemark, Frankreich, Österreich und der Schweiz waren am 16. März eingeführt worden, um das Infektionsgeschehen in Deutschland einzudämmen. Seither darf nur noch einreisen, wer einen triftigen Grund dafür geltend machen kann. Dazu gehören unter anderem Berufspendler, Angehörige medizinischer Berufe oder EU-Bürger, die auf dem Weg in ihr Heimatland sind. Auch die Pflege von Angehörigen und andere familiäre Gründe konnten zum Teil geltend gemacht werden.

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