Defender 2020: Bundesregierung kommentiert und AfD kontert – Exklusiv
Die AfD-Außenpolitiker im Bundestag, Anton Friesen und Armin-Paul Hampel, stellen Berlin Fragen zum offiziell abgesagten Nato-Militärmanöver „Defender 2020“. Die Antwort der Bundesregierung liegt der Sputnik-Redaktion exklusiv vor. „US-Militär und Bundeswehr stimmen sich aktuell ab“, erklärt die Streitkräftebasis der Bundeswehr auf Nachfrage.
Offiziell gilt das Nato-Militärmanöver „Defender 2020“ als „eingefroren“. Das heißt, es pausiert bzw. wurde abgesagt. Mindestens 37.000 Soldaten an Truppenstärke – darunter etwa 20.000 US-Soldaten – wären ansonsten in der Übung noch bis Sommer eingebunden gewesen. Das US-Militär koordinierte hauptsächlich das Manöver auf deutschem und europäischem Boden. Für das größte US-Manöver seit etwa 25 Jahren galt Deutschland ursprünglich als „strategische und zentrale Drehscheibe“ Europas. Etliches Militärmaterial aus den USA hätte in die Bundesrepublik verschifft werden müssen, in Bremerhaven und anderen deutschen Häfen kamen Mitte März bereits etliche Panzer und weitere Militärfahrzeuge aus Übersee an.
Doch das neuartige Coronavirus machte der Militärübung Mitte März einen Strich durch die Rechnung.
AfD: „Wie teuer wird ‚Defender‘ für Deutschlands Steuerzahler?“
Noch einige Zeit vor der aktuell grassierenden Corona-Epidemie hatten die AfD-Bundestagsabgeordneten Anton Friesen und Armin-Paul Hampel sowie weitere Mitglieder ihrer Fraktion eine Kleine Anfrage an das Bundeskanzleramt gestellt. Die Außen- und Sicherheitspolitiker richteten dabei Fragen an die Bundesregierung, die das US-geführte Nato-Militärmanöver „Defender 2020“ betreffen.
Die AfD-Anfrage wird als Bundestags-Drucksache 19/17693 geführt. „Die Manöver sollen einerseits die Möglichkeit unter Beweis stellen, dass große Mengen an Ausrüstungsgegenständen und Soldaten in kurzer Zeit von Westeuropa bis an die russische Grenze transportiert werden können“, heißt es in der Anfrage. Welche Belastungen für deutsche Steuerzahler und für die Umwelt sind durch das Manöver und die damit verbundenen Begleitübungen zu erwarten, wollte die AfD-Fraktion wissen.
„Nato-Manöver sollen alle zwei Jahre bei uns stattfinden“ – Kritik an Militärübung
Die Antwort der Bundesregierung an die AfD erfolgte am 27. März und liegt der Sputnik-Redaktion exklusiv vor.
„In Deutschland wurde Defender 2020 zwar wegen Corona abgebrochen, eine deutsche Beteiligung findet nicht mehr statt“, sagte AfD-Außenpolitiker Friesen gegenüber Sputnik mit Blick auf die Antwort der Bundesregierung. „Gleichwohl sollen solche Nato-Manöver mit einer Truppenpräsenz, wie es sie seit Ende des Kalten Krieges noch nie gab, alle zwei Jahre in Europa stattfinden“, kritisierte er.
Er empfahl Berlin folgendes:
„Die Bundesregierung sollte zumindest als Zeichen des guten Willens gegenüber Russland russische Militärbeobachter sowie die Militärbeobachter anderer Nicht-Nato-Staaten in größerem Umfang einladen, als es bei ‚Defender 2020‘ der Fall gewesen wäre, wo die Einladung nur für drei Tage ausgesprochen wurde. Noch besser wäre es, auf solches Säbelrasseln zu verzichten und zu einer kooperativen Sicherheitspolitik für Europa zurück zu finden, mit einem Vertrag über die gemeinsame Sicherheit in Europa und der vollständigen Reaktivierung der Arbeit des Nato-Russland-Rats.“
AfD-Anfrage an Bundesregierung nach „Grenznähe zu Russland“
Wie begründet die Bundesregierung die Unterstützung von Übungen, „um militärisches Material an die russische Grenze zu bringen“, wollte die Fraktion der AfD im Bundestag wissen. Daraufhin erfolgte folgende Antwort aus Berlin, die noch nicht einmal die Worte „Russland“ oder „russisch“ enthält:
„Kern der Übung Defender-Europe 20 ist die Stärkung der Einsatzbereitschaft (‚readiness‘) und Verzugs- und reibungslosen Verlegung militärischer Kräfte (‚military mobility‘)“, teilte die Bundesregierung in der vorliegenden Antwort mit. „Mit der Übung werden gemeinsam in der Nato beschlossene Maßnahmen zur Steigerung der Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit trainiert und somit sichergestellt, dass die entsprechenden Verfahren im Krisenfall funktionieren. Aufgrund der zentralen geographischen Lage kommt Deutschland als Gastgeber und Transitland eine herausragende Bedeutung zu. Mit der aktiven Beteiligung beweist Deutschland die angenommene Funktion als Drehscheibe für Nato-Kräfte und Solidarität gegenüber unseren Partnern und Verbündeten in Mittelosteuropa. Die Übungen haben defensiven Charakter. Sie dienen der Überprüfung von Verfahren und der Ausbildung unserer Soldatinnen und Soldaten.“
Welche Kosten kommen auf Deutschland wegen „Defender 2020“ zu?
Wie aus der Antwort der Bundesregierung hervorgeht, mussten im Vorfeld der Militärübung keine Straßen oder Brücken in Deutschland modernisiert oder bautechnisch angepasst werden: „Das war nicht erforderlich.“
Welche Kosten und finanziellen Ausgaben „kommen nach Kenntnis der Bundesregierung aufgrund der Übungen auf die deutschen Steuerzahler zu?“, wollten die AfD-Außenpolitiker außerdem wissen.
„Für die Ausgaben im Zusammenhang mit der deutschen Übungsbeteiligung an ‚Defender Europe 20‘ sind folgende Titel (…) veranschlagt“, so die Bundesregierung. Darunter 416.000 Euro für Dienstreisen, etwa 2,3 Millionen Euro für sogenannte „sonstige Übungskosten“ und etwa 3,3 Millionen für Transportkosten. „Aufgrund der im Zusammenhang mit der Verbreitung von SARS-CoV 2 (Covid-19) stehenden Lageentwicklung wird die Übung ‚Defender-Europe 20‘ inklusive der Begleitübungen nicht mehr im bislang geplanten Umfang weitergeführt.“
Wie hoch die Kosten und Ausgaben „für die Beteiligung bzw. Unterstützung von Teilen der Bundeswehr an der Übung Defender-Europe 20 abschließend sein werden, wird sich erst nach Abrechnung und Buchung aller hiermit verbundenen Maßnahmen genau beziffern lassen. Hiermit ist voraussichtlich im vierten Quartal 2020 zu rechnen.“
Nachgehakt bei der Streitkräftebasis der Bundeswehr
Daraufhin hakte die Sputnik-Redaktion bei der zuständigen Stelle innerhalb der Bundeswehr nach, die für die organisatorische und logistische Betreuung der US- und Nato-Truppen auf deutschem Territorium verantwortlich ist im Rahmen der abgesagten Militärübung. Das ist die Streitkräftebasis der Bundeswehr, sie soll Aufgaben bündeln, die zuvor bei Heer, Luftwaffe, Marine und Sanitätsdienst jeweils einzeln übernommen wurden.
„Die US-Verlegeoperation ‚Defender-Europe 2020‘ wurde am 16. März wegen der Ausbreitung des Corona-Virus in Deutschland vorsorglich offiziell beendet“, teilte ein Sprecher der Streitkräftebasis der Bundeswehr gegenüber Sputnik am Mittwoch mit. „Das heißt, die Verlegung von Material und Personal der US-Streitkräfte und der Streitkräfte beteiligter Nato-Bündnispartner nach Deutschland wurde eingestellt. Die bereits nach Deutschland verlegten Truppenteile hatten zu diesem Zeitpunkt ihre Übungsräume in Polen und im Baltikum schon erreicht. Das heißt, es befinden sich keine an ‚Defender-Europe 2020‘ beteiligten Truppenteile der US-Streitkräfte oder beteiligter Nato-Bündnispartner mehr auf deutschem Boden. Gleichzeitig hat die Rückverlegung von US-Material in Depots in Deutschland begonnen.“
Die USA hatten zunächst „mit der Übung ‚Defender-Europe 20‘ im Zeitraum Februar bis Mai 2020 die Verlegung einer Division nach Europa bzw. innerhalb Europas“ geplant. „Die Übung sollte wichtige Erkenntnisse zur Rolle Deutschlands als Transitland liefern und die glaubwürdige Realisierung der gemeinsamen Bündnisverpflichtungen untermauern. An die Verlege-Operation schlossen sich verschiedene Übungsvorhaben unter anderem in Deutschland, Polen und im Baltikum (…) an. Vor dem Hintergrund der Corona-Epidemie wurde die Verlegung von Personal und Material nach Europa eingestellt.“
„Enge Abstimmung zwischen US-Stellen und Deutschland“
Aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus gebe es eine „besondere Verantwortung für die Gesundheit der beteiligten Soldatinnen und Soldaten sowie der Zivilbevölkerung.“ Das Manöver werde deshalb eingestellt. „Die in Deutschland vorgesehenen Übungsanteile auf den Truppenübungsplätzen Bergen (Niedersachsen) und Grafenwöhr (Bayern) entfallen.“
Allerdings werde aktuell „das gemeinsame weitere Vorgehen in Deutschland zwischen den US-amerikanischen und deutschen Dienststellen eng abgestimmt.“
Die US-Streitkräfte „haben zwischenzeitlich mit der Rückverlegung von Personal und Material aus Europa begonnen“, informierte der Sprecher der Streitkräftebasis. „Im Schwerpunkt handelt es sich dabei um Militärtransporte auf der Schiene, mit denen US-Transport- und Gefechtsfahrzeuge sowie Gerät in die US-Depots in Deutschland (‚Army Preposition Stocks‘) zurückgeführt werden. Diese Transporte werden voraussichtlich bis Mitte Mai andauern. Erforderliche deutsche Unterstützungsleistungen (‚Host Nation Support‘) werden abgestimmt auf die veränderten Anforderungen der US-Streitkräfte fortgesetzt. Weitere Detailplanungen zu einzelnen Unterstützungsleistungen beispielsweise auf den Truppenübungsplätzen Lehnin und Bergen dauern an.“
Das Manöver wird laut Angaben der Bundeswehr allerdings in Polen fortgesetzt.
„Einige Übungsvorhaben der US-Streitkräfte auf polnischen Übungsplätzen sollen noch durchgeführt werden“, ergänzte der Sprecher der Streitkräftebasis der Bundeswehr.
„Umweltbelastung durch Defender nicht feststellbar“ – Bundesregierung
Die AfD-Fraktion wollte ebenso von der Regierung wissen, ob die Polizei zur Sicherstellung der Militär-Transporte Aufgaben übernommen hätte und was das letztendlich finanziell gekostet hätte. „Zu Einsätzen der Polizei der Länder nimmt die Bundesregierung keine Stellung“, so die Antwort der Bundesregierung. „Zu den Kosten, die der Polizei der Länder entstehen könnten, liegen der Bundesregierung keine Informationen vor.“ Allerdings treffe „die Bundespolizei im Rahmen der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben entsprechend den Lageerkenntnissen die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz von Militärtransporten, dies insbesondere auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes.“
Zur Belastung der Umwelt durch die Militärübung, beispielsweise durch freigesetzte Substanzen und Chemikalien, „liegen der Bundesregierung derzeit keine Informationen vor“.
Nach Kenntnis der Bundesregierung „beabsichtigen die USA nicht, Material, das aus den USA nach Europa verschifft wurde, in Europa zu belassen“, hieß es weiter. „Das Material soll über Polen und die baltischen Staaten in die USA zurückverlegt werden. Ob aufgrund der Lage SARS-CoV 2 (COVID-19) diesbezüglich Änderungen der ursprünglichen Planungen erforderlich sind, wird derzeit durch die US-Streitkräfte geprüft.“
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