In der Show unterhält sich von der Lippe, zusammen mit seiner Ko-Moderatorin Sabine Heinrich, mit einem Gast über Alltagsfragen, deren Beantwortung mitunter schwer ist, weil ungeschriebene Gesetze des guten Benehmens und guter Umgangsformen das verhindern. Das Konzept der Sendung war auch der Aufhänger des Interviews von Jürgen von der Lippe mit dem „Hamburger Abendblatt“, das natürlich als Werbung für seine neue Fernsehsendung konzipiert worden war, alle Künstler zelebrieren diesen Trick heutzutage.
In dem Interview bekannte sich von der Lippe gleich in der ersten von sieben Fragen dazu, „ein großer Freund guter Manieren“ zu sein, „gerade, weil sie vielfach nicht mehr vorhanden sind.“ Vor allem im Umgang mit Frauen sei die Etikette auf dem Rückzug, wie von der Lippe die entsprechende Frage der Zeitung mit Ja beantwortete:
Jürgen von der Lippe wird regelmäßig vorgeworfen, schlüpfrige Witze, die immer nah an der Grenze zur Zote stehen, auf Kosten von Frauen zu machen. Gegen diese Kritik schützt ihn bis heute ein simpler Blick in die Säle seiner Tourneeauftritte, wo ein mehrheitlich weibliches Publikum begeistert lacht und applaudiert und den Vorwurf von frauenfeindlichem Sexismus der Lächerlichkeit preisgibt.„Es ändert sich einiges in Zusammenhang mit Emanzipation und MeToo. Ich bin ein großer Fan der alten Schule, wo alle Männer aufstehen, wenn eine Frau den Raum betritt, wo man einer Dame den Mantel abnimmt, wo man ihr den Stuhl zurechtrückt. Damit bin ich ja nun groß geworden. Heute muss man aber damit rechnen, dass einem das um die Ohren geschlagen wird, dass eine Frau sagt: ‚Hören Sie mal, ich bin kein Kind, ich kann das alleine.‘“
Lachhaft ist für Jürgen von der Lippe auch das Auftreten einer jungen Frau. Auf die Frage, ob seine frivolen Witze in Zeiten von MeToo nicht umgehend Beschimpfungen als „alter weißer Mann“ nach sich ziehen, antwortet von der Lippe, dass er das als dreifache Diskriminierung empfinde, „wegen der Hautfarbe, des Alters und wegen des Geschlechts“, dass er befürchte, dass eine neue Zeit der Prüderie im Anmarsch sei, um dann nachzuschieben:
Es dauerte nicht einmal 24 Stunden und das auf die fünf Worte „die Leute haben Greta satt“ reduzierte Interview wird zum neuen Empörungsinstrument von Menschen, die inzwischen ein Verständnis von Meinungsstreit und Meinungsfreiheit haben, das noch weit hinter dem zurückbleibt, mit dem die Heilige Inquisition einst unliebsame Abweichler von der göttlichen Wahrheit auf die Scheiterhaufen schickte. Mit allerlei wüsten Beschimpfungen.„Ich stelle allerdings auch fest: Die Leute haben es satt, erzogen zu werden. Und die Leute haben Greta satt. Wenn sich so ein Mädel hinstellt und die Weltmächtigen anschreit „How dare you!“, und die dann kuschen, ist das für mich Comedy.“
Der Scheiterhaufen unserer Tage ist das Internet. Die wüsten Beschimpfungen sind geblieben. Eine simple Suchanfrage auf dem Kurznachrichtendienst Twitter „jürgen von der lippe greta“ schüttet ein Füllhorn von mehr oder weniger geistreichen Reaktionen auf von der Lippes Meinung aus, von denen wir hier die halbwegs jugendfreien wiederholen.
Dass von der Lippe Applaus aus Richtungen erhält, die im mutmaßlich nichts bedeuten, darf vom virtuellen Beifall des AfD-Ko-Chefs Jörg Meuthen angenommen werden.
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