Das Nato-Manöver erinnert den ehemaligen DDR-Spion, Reiner Rupp, an längst vergangene, angespannte Zeiten. Die Gefahr einer Eskalation steige, warnt Rupp. „Gerade bei solchen Aktionen wie ‚Defender‘, aber auch allen anderen Manövern, die ja nicht weniger gefährlich sind, können tatsächlich wieder Situationen entstehen, wo man nicht gewollt in eine kriegsähnliche Situation hineinschlittern könnte. Dann wären wir in einer Situation wie zu Zeiten des Kalten Krieges. Denn Nuklearwaffen stehen nach wie vor hier. Und wenn die Amerikaner einen größeren Verlust haben, dann besteht die Gefahr, dass sie diese auch einsetzen.“ „Defender 2020“ sei zwar das größte, aber nicht das einzige Manöver: Mit zunehmender Größe, Umfang und Frequenz gebe es seit einigen Jahren immer mehr Militärmanöver an der Grenze zu Russland.
Verurteilter „Landesverräter“ rettete die Menschheit?
Unter dem Decknamen „Topas“ war Reiner Rupp von 1977 bis 1993 in der Politischen Abteilung des Nato-Hauptquartiers in Brüssel tätig. Zu seinen Aufgaben zählte unter anderem der Vorsitz der „Current Intelligence Group“ (CIG) im Nato-Lagezentrum. Als „Nervenzentrum“ des Bündnisses bezeichnet Rupp die Abteilung, „in der alle Nervenstränge der Nato zusammenliefen“. Dadurch war er nach eigenen Angaben in der Lage, alle aktuellen Entwicklungen, die eventuell auf einen nuklearen Überraschungsschlag der Nato hingewiesen hätten, rechtzeitig zu erkennen sowie nach Ostberlin zu übermitteln, schreibt Rupp in einer „Junge Welt“-Kolumne.Wegen des Nato-Großmanövers „Able Archer 83“, das einen Atomkrieg simulieren sollte, seien die sowjetischen Nuklearstreitkräfte im Jahr 1983 in Alarmzustand versetzt worden. Mit den Informationen der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA, Nachrichtendienst der DDR - Anm. d. Red.), für das Rupp wichtige Informationen aus dem Nato-Hauptquartier bereitstellte, soll Moskau beruhigt worden sein, dass kein Angriff seitens der Nato bevorstehe. Somit könnte Rupp möglicherweise einen Atomkrieg verhindert haben. Im Jahr 1994 wurde er wegen „Landesverrats“ zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Seit seiner Entlassung im Jahr 2000 ist er als Publizist tätig.
Was steckt hinter „Defender 2020“?
Begründet wird die Notwendigkeit des Nato-Manövers mit der „Veränderung der sicherheitspolitischen Lage seit 2014 mit einer möglichen Bedrohung der Sicherheit, insbesondere unserer Bündnispartner in Osteuropa“, wie Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer mitteilte.Er sieht andere Gründe für die neuerliche Großübung: „Wenn keine Bedrohung da ist, muss die Bedrohung geschaffen werden, damit die Nato ihren Sinn und Zweck erfüllt.“ Hinter dem konstruierten Bedrohungsszenario, Russland als Aggressor, vermutet er die Vereinigten Staaten. „Einer der Hauptzwecke der Nato war seit ihrer Gründung, den Vereinigten Staaten im Rahmen der Nato in den Führersitz der Sicherheitspolitik und darüber hinaus in die Innenpolitiken der europäischen Länder zu verhelfen.“ Die Führungsmacht der Nato seien die USA. Und über die Nato könne man Einfluss auf die Innen- und Wirtschaftspolitik der EU-Staaten nehmen, erklärt der Militär-Experte. „Die USA sollten eigentlich in Europa nichts zu sagen haben - erst recht nicht nach dem Ende des Kalten Krieges. Aber mit der Hilfe der Nato konnte man sich als USA dann doch nochmal hinüberretten.“ Das sei auch der Sinn und Zweck des Krieges gegen Jugoslawien gewesen, meint der Ex-Agent.„Wenn Spannungen nicht da sind, dann macht man das mit einem großen Manöver“, empört sich der Nato-Kritiker: „Wenn wir uns heute überlegen, wo Bundeswehrsoldaten diesmal mit den Amis stehen - nämlich an der Grenze zu Russland in Estland, rund 160 Kilometer entfernt von St. Petersburg. Das ist eine Schande! Gerade die Großväter der Bundeswehrsoldaten, haben damals St. Petersburg über ein Jahr belagert. Eine Million Tote, meistens Zivilisten ausgehungert. Und heute stehen sie für die Freiheit, obwohl sie von Russland nicht bedroht werden. Das ist ein Irrwitz.“ Das ergebe weder politisch noch strategisch noch ökonomisch irgendeinen Sinn, bemängelt Rupp.
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