US-Militärgeheimdienst: Im Kriegsfall könnte der Iran auf über zwei Millionen Mann zurückgreifen
Bevor man in den Krieg zieht, sollte man den Gegner gut kennen, um keine unliebsamen Überraschungen auf dem Schlachtfeld zu erleben. Der US-Militärgeheimdienst DIA fertigte eine Analyse über die iranischen Streitkräfte an, die die Risiken eines Krieges aufzeigt.Die USA haben am Montag sechs strategische Bomber des Typs B-52 auf den pazifischen Stützpunkt Diego Garcia verlegt. Sie sollen im Falle eines Angriffsbefehls von US-Präsident Donald Trump schneller ihr Ziel erreichen können: den Iran. Damit baut Washington neben der Verlegung von weiteren Truppen in die Region eine weitere Drohkulisse auf, um den verschiedenen Warnungen Trumps Nachdruck zu verleihen. Gleichzeitig soll es auch die Antwort der iranischen Regierung auf die Ermordung des millionenfach betrauerten Generalmajors Qassem Soleimani durch einen US-Drohnenangriff beeinflussen.Damit man den Iran militärisch besser einschätzen kann, hat der Militärgeheimdienst DIA (Defense Intelligence Agency) eine Analyse über die iranischen Streitkräfte angefertigt – mit für manch einen überraschenden Ergebnissen. Denn sie widersprechen den Ausführungen der US-Regierung und erst recht der Medien, dass die Außen- und Verteidigungspolitik des Iran einzig und allein von dem Wunsch beseelt ist, Israel auszulöschen. Auch die deutsche Bundesregierung rechtfertigt ihre Politik immer wieder mit dem Argument, dass der Iran eine Gefahr für Israel darstelle.Die Analysten der DIA kamen aber zu einem ganz anderen Schluss. Sie stellen fest, dass die größte Bedrohung aus Sicht Teherans die USA darstellen, und dieser empfundenen wie auch tatsächlichen Bedrohung sind sämtliche Überlegungen und Strategien untergeordnet. Erst danach folgen regionale Bedrohungen, die von "Israel, Saudi-Arabien und sunnitischen Extremistengruppierungen wie dem IS" ausgehen.Der Iran ist darauf fokussiert, seine militärischen Streitkräfte zur Verteidigung gegen Luftschläge und Bodenoffensiven durch einen technologisch überlegenen Gegner vorzubereiten und auszustatten, insbesondere die Vereinigten Staaten. Die US-Invasionen des Irak und Afghanistans Anfang der 2000er und die internationale Überprüfung des iranischen Atomprogramms haben die Befürchtungen des Iran von Umzingelung und potenziellen Angriff des Westens erhöht.Die Nationale Sicherheitsstrategie ziele darauf ab, die "klerikale Herrschaft weiterhin sicherzustellen, Stabilität gegen interne und externe Bedrohungen zu erhalten, die Position des Iran als dominante Regionalmacht abzusichern und wirtschaftliche Prosperität zu erreichen".Der Iran hat seine Sicherheit- und Militärstrategien auf diesen vier bleibenden strategischen Zielen aufgebaut.Da insbesondere die US-Präsenz in der unmittelbaren Nachbarschaft als strategische Bedrohung wahrgenommen wird, hat Teheran seit der US-Invasion im Irak sehr viele Ressourcen in den Aufbau einer "Achse des Widerstands" investiert. Diese wird in der Analyse als eine "lose Konföderation von gleichgesinnten staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren" im Nahen Osten bezeichnet, um den "westlichen Einfluss" einzudämmen. Dazu zählen vor allem die Hisbollah im Libanon, die syrische Regierung von Baschar al-Assad und schiitische Milizen im Irak.Als Stütze der "klerikalen Herrschaft" dient die Revolutionsgarde (Pasdaran), die nach der Revolution 1979 als ideologische Stütze aufgebaut wurde, weil man den Restbeständen der Armee des gestürzten Shah nicht vertraut hatte. Die Pasdaran verfügen selbst über eigene Teilstreitkräfte, die, obwohl kleiner als die eigentliche Armee (Artesch), finanziell besser ausgestattet sind. 29 Prozent des Verteidigungsbudgets 2019 gingen an die Revolutionsgarde, zwölf Prozent an die Armee. 34 Prozent des Haushalts werden für Rentenzahlungen an Angehörige sämtlicher Streitkräfte aufgewendet.Die Militärstrategie basiert auf zwei Säulen: "Abschreckung und der Möglichkeit, gegen einen Angreifer zurückzuschlagen". Da man sich der technologischen Unterlegenheit bewusst ist, hat sich Teheran auf die unkonventionelle Kriegsführung spezialisiert, um den Gegner zu demoralisieren und ihm trotzdem hohe Verluste zuzufügen. Dazu heißt es weiter:Der iranische 'Weg des Krieges' betont die Notwendigkeit, konventionelle Konflikte zu vermeiden oder abzuschrecken, während gleichzeitig die Sicherheitsziele in der Region vor allem durch Propaganda, psychologische Kriegführung und Stellvertreteroperationen durchgeführt werden. Die iranische Abschreckung basiert weitgehend auf drei Kernkapazitäten: langstreckenfähigen ballistischen Raketen, Seestreitkräften, mit denen die Navigation im Persischen Golf und der Straße von Hormus bedroht werden kann, und unkonventionellen Operationen mit Partnern und Vertretern im Ausland.Gerade was ballistische Raketen und die Entwicklung von Marschflugkörpern betrifft, stellt der DIA-Bericht klar, dass es sich dabei mangels einer modernen Luftwaffe um defensive Waffen handelt. Damit sollen ausländische Feinde – vor allem Israel, Saudi-Arabien und die USA – von einem Angriff auf den Iran abgehalten werden, heißt es dazu. Das widerspricht vollkommen dem gängigen Narrativ hierzulande, dem zufolge der Iran mit diesen Waffen Israel oder sogar Europa angreifen will. Wenn also westliche Länder das Raketenarsenal des Iran monieren und es am liebsten verbieten würden, zielen sie im Grunde darauf ab, die Verteidigung des Landes entscheidend zu schwächen.Der Oberste Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei ist sowohl Staatsoberhaupt als auch geistliches Oberhaupt und Oberbefehlshaber sämtlicher Streitkräfte. Beraten wird er vom Nationalen Sicherheitsrat, dem formell der Präsident des Iran vorsteht. Außerdem sind in diesem Rat die Justiz-, Verteidigungs-, Innen- und Außenminister anwesend, wie auch der Sprecher der Madschlis (Parlament) und die wichtigsten Kommandeure der Teilstreitkräfte und der Geheimdienste. Am Ende trifft aber Chamenei die Entscheidung und gibt Befehle an die Truppen. Die Truppen, das sind 190.000 aktive Revolutionsgardisten und 450.000 Basidschi, Mitglieder einer den Pasdaran unterstellte Freiwilligenmiliz. Im Kriegsfall kann bis zu eine Million weiterer Basidschi als eine Art Reserve mobilisiert werden. Im prägenden Iran-Irak-Krieg der 1980er-Jahre waren es die Jünglinge der Basidschi, die in zahlreichen Schlachten die Wende herbeigeführt haben, als sie in menschlichen Wellen in den sicheren Tod rannten und es damit den unterlegenen Streitkräften erlaubten, ihre Angriffe auf die überraschten Iraker zu richten. Eine ähnliche Rolle dürfte ihnen auch bei einem möglichen Krieg gegen die USA – oder sonst eine Invasionsarmee – zukommen.Neben den Revolutionsgardisten und Basidschi-Milizionären stehen auch 420.000 aktive Soldaten der eigentlichen Streitkräfte, der Artesch, unter Waffen. Das ergibt also mindestens eine Million bewaffneter und zum Teil hervorragend ausgebildeter Soldaten, die sich mit einer weiteren Million teilweise fanatischer Jünglinge der Basidschi einer Invasionsmacht in den Weg stellen würden.
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