Eskalation am Golf: dramatisches Kräftemessen
Schwere Vorwürfe aus Riad an die Adresse Teherans: Bei den Angriffen auf zwei Öl-Anlagen in Saudi-Arabien sollen Waffen aus dem Iran zum Einsatz gekommen sein. Derzeit deute alles darauf hin, "dass die Waffen, die bei beiden Angriffen genutzt wurden, aus dem Iran stammten", sagte der Sprecher der von Saudi-Arabien angeführten Militärkoalition, Turki al-Maliki, am Montag in einem Pressegespräch. Derzeit werde untersucht, von wo aus die Waffen abgefeuert wurden.
Auch die USA machen den Iran für die Angriffe auf zwei Öl-Anlagen des saudi-arabischen Staatskonzerns Aramco verantwortlich. Zwar hatten sich zu den Angriffen vom vergangenen Samstag auch die jemenitischen Huthi-Rebellen bekannt. Die US-Regierung glaubt ihnen jedoch nicht.Die "New York Times" berichtet zudem von Satellitenbildern, die einen Angriff aus Richtung Iran beweisen sollen. Derweil hat der Iran die Anschuldigungen aus Washington zurückgewiesen.
Die Vorwürfe aus Washington fielen dieses Mal besonders scharf aus, sagt der Wirtschaftsgeograph Günter Meyer, Leiter des "Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt" an der Universität Mainz. Das sei auch ein propagandistisches Manöver. Sowohl US-Präsident Trump als auch sein Außenminister Pompeo stellten die Attacke als Angriff auf die globale Energieversorgung durch den Iran dar. "Auf diese Weise lenken sie effektiv von dem Umstand ab, dass Saudi-Arabien mit Hilfe der USA seit langem mit einem jährlichen Militäretat von rund 70 Milliarden Dollar die modernste Abwehr- und Angriffsmaschinerie in der Region aufgebaut haben. Mit ihr haben sie [Saudi-Arabien und die USA, Anm. d. Red.] durch die Intervention im Jemen zu der größten humanitären Katastrophe in der Geschichte des Landes beigetragen."
Gerüstet: Schiffe der US-amerikanischen Marine im Persischen Golf
Zwei miteinander verschmelzende Konflikte
Rund um die Straße vom Hormus verschmelzen zwei Konflikte: Das bislang auf einen Stellvertreterkrieg im Jemen konzentrierte Kräftemessen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran zum einen und die nach der Aufkündigung des Atomabkommens durch die USA gestiegenen Spannungen zwischen Iran und den Vereinigten Staaten zum anderen. Diese stiegen am Montag noch einmal, nachdem die iranischen Revolutionsgarden Medienberichten zufolge ein Schiff festgesetzt hatten. Darin hätten 250.000 Liter Diesel in die Vereinigten Arabischen Emirate geschmuggelt werden sollen, heißt es in einem Bericht der halbstaatlichen iranischen Nachrichtenagentur Insa am Montag. Das sei durchaus glaubhaft, so Meyer: "Die Dieselpreise im Iran sind sehr niedrig. Außerdem sind bereits zuvor mehrere Schiffe aus dem gleichen Grund beschlagnahmt worden."
Neue Kräfteverhältnisse am Golf
Die Situation am Golf gewinnt dadurch an Brisanz, dass Iran und China einem Bericht des "Petroleum Economist" und iranischen Medien zufolge eine enge wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit vereinbart haben. Demnach wird Peking Investitionen in Höhe von 400 Milliarden Dollar im Iran vornehmen. Allein in den nächsten fünf Jahren sollen 280 Milliarden Dollar in die Entwicklung der iranischen Erdöl- und Gasproduktion sowie der petrochemischen Weiterverarbeitung fließen. Hinzu kommen 120 Mrd. Dollar für den Ausbau der Infrastruktur im Bereich von Transport und Industrie. Auch wird der Iran an das Verkehrsnetz der Neuen Seidenstraße angeschlossen. Rund 5000 Sicherheitskräfte sollen zudem im Iran stationiert werden, um die chinesischen Einrichtungen zu schützen.
Transkontinentales Verkehrsnetz: die neue Seidenstraße
Diese Zusammenarbeit würde die geostrategischen Verhältnisse am Golf grundlegend verändern, und zwar durchaus zu Lasten Saudi-Arabiens und der USA, so Meyer. Auch wenn die Präsenz der chinesischen Truppen nicht ausdrücklich der Verteidigung des iranischen Territoriums dient, erschwert sie doch Angriffe von außen. "Käme bei einem Angriff von außen ein chinesischer Soldat zu Schaden, dürfte Peking das auch als bewusste Attacke auf sein Militär deuten. Wer immer künftig den Iran attackiert, riskiert, auch gegen die Weltmacht China zu kämpfen."
China lässt sich die militärische und ökonomische Partnerschaft teuer bezahlen. Vereinbart ist unter anderem, dass das Land beim Kauf von iranischem Öl und Gas sowie petrochemischen Produkten einen Rabat von rund einem Drittel des üblichen Kaufpreises erhält. Beglichen werden die Rechnungen nicht auf Dollar-Basis, sondern durch die Währungen afrikanischer Länder oder von Nachfolgestaaten der Sowjetunion.
Dennoch verschafft die Vereinbarung dem Iran den dringend benötigten Zugang zum internationalen Markt in großem Maßstab. Die Sanktionen der USA würden damit zumindest in Teilen hinfällig.
Rauchzeichen: Die brennenden Ölförderanlagen aus der Luft
Eskalation ganz neuer Dimension
Die Vereinbarung dürfte auch den Hintergrund der derzeitigen verbalen und militärischen Eskalation bilden, sagt Günter Meyer. "Sollten die USA sich wider alle militärische Vernunft zu einem Angriff auf den Iran entscheiden, dann wäre jetzt der richtige Moment. Man hätte einen Vorwand, um gegen die iranischen Erdöleinnahmen vorzugehen, bevor die militärische Zusammenarbeit mit China beginnt."
Aus Sicht derer, die auf eine militärische Lösung setzten, müsste ein Angriff so schnell wie möglich erfolgen. "Denn wenn diese Zusammenarbeit Iran-China erst einmal auf vollen Touren läuft und die chinesischen Sicherheitskräfte dort stationiert sind, könnte eine Auseinandersetzung mit dem Iran in eine Eskalation von ganz neuer Dimension münden."
Mit oder ohne Eskalation: Am Golf ändert sich die geostrategische Situation grundlegend. Sie könnte dazu führen, dass auch das Atomprogramm des Iran keinen Einschränkungen mehr unterliegt. Absehbar könnte er sich zur führenden Macht in der Region entwickeln.
DW
Auch die USA machen den Iran für die Angriffe auf zwei Öl-Anlagen des saudi-arabischen Staatskonzerns Aramco verantwortlich. Zwar hatten sich zu den Angriffen vom vergangenen Samstag auch die jemenitischen Huthi-Rebellen bekannt. Die US-Regierung glaubt ihnen jedoch nicht.Die "New York Times" berichtet zudem von Satellitenbildern, die einen Angriff aus Richtung Iran beweisen sollen. Derweil hat der Iran die Anschuldigungen aus Washington zurückgewiesen.
Die Vorwürfe aus Washington fielen dieses Mal besonders scharf aus, sagt der Wirtschaftsgeograph Günter Meyer, Leiter des "Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt" an der Universität Mainz. Das sei auch ein propagandistisches Manöver. Sowohl US-Präsident Trump als auch sein Außenminister Pompeo stellten die Attacke als Angriff auf die globale Energieversorgung durch den Iran dar. "Auf diese Weise lenken sie effektiv von dem Umstand ab, dass Saudi-Arabien mit Hilfe der USA seit langem mit einem jährlichen Militäretat von rund 70 Milliarden Dollar die modernste Abwehr- und Angriffsmaschinerie in der Region aufgebaut haben. Mit ihr haben sie [Saudi-Arabien und die USA, Anm. d. Red.] durch die Intervention im Jemen zu der größten humanitären Katastrophe in der Geschichte des Landes beigetragen."
Gerüstet: Schiffe der US-amerikanischen Marine im Persischen Golf
Zwei miteinander verschmelzende Konflikte
Rund um die Straße vom Hormus verschmelzen zwei Konflikte: Das bislang auf einen Stellvertreterkrieg im Jemen konzentrierte Kräftemessen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran zum einen und die nach der Aufkündigung des Atomabkommens durch die USA gestiegenen Spannungen zwischen Iran und den Vereinigten Staaten zum anderen. Diese stiegen am Montag noch einmal, nachdem die iranischen Revolutionsgarden Medienberichten zufolge ein Schiff festgesetzt hatten. Darin hätten 250.000 Liter Diesel in die Vereinigten Arabischen Emirate geschmuggelt werden sollen, heißt es in einem Bericht der halbstaatlichen iranischen Nachrichtenagentur Insa am Montag. Das sei durchaus glaubhaft, so Meyer: "Die Dieselpreise im Iran sind sehr niedrig. Außerdem sind bereits zuvor mehrere Schiffe aus dem gleichen Grund beschlagnahmt worden."
Neue Kräfteverhältnisse am Golf
Die Situation am Golf gewinnt dadurch an Brisanz, dass Iran und China einem Bericht des "Petroleum Economist" und iranischen Medien zufolge eine enge wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit vereinbart haben. Demnach wird Peking Investitionen in Höhe von 400 Milliarden Dollar im Iran vornehmen. Allein in den nächsten fünf Jahren sollen 280 Milliarden Dollar in die Entwicklung der iranischen Erdöl- und Gasproduktion sowie der petrochemischen Weiterverarbeitung fließen. Hinzu kommen 120 Mrd. Dollar für den Ausbau der Infrastruktur im Bereich von Transport und Industrie. Auch wird der Iran an das Verkehrsnetz der Neuen Seidenstraße angeschlossen. Rund 5000 Sicherheitskräfte sollen zudem im Iran stationiert werden, um die chinesischen Einrichtungen zu schützen.
Transkontinentales Verkehrsnetz: die neue Seidenstraße
Diese Zusammenarbeit würde die geostrategischen Verhältnisse am Golf grundlegend verändern, und zwar durchaus zu Lasten Saudi-Arabiens und der USA, so Meyer. Auch wenn die Präsenz der chinesischen Truppen nicht ausdrücklich der Verteidigung des iranischen Territoriums dient, erschwert sie doch Angriffe von außen. "Käme bei einem Angriff von außen ein chinesischer Soldat zu Schaden, dürfte Peking das auch als bewusste Attacke auf sein Militär deuten. Wer immer künftig den Iran attackiert, riskiert, auch gegen die Weltmacht China zu kämpfen."
China lässt sich die militärische und ökonomische Partnerschaft teuer bezahlen. Vereinbart ist unter anderem, dass das Land beim Kauf von iranischem Öl und Gas sowie petrochemischen Produkten einen Rabat von rund einem Drittel des üblichen Kaufpreises erhält. Beglichen werden die Rechnungen nicht auf Dollar-Basis, sondern durch die Währungen afrikanischer Länder oder von Nachfolgestaaten der Sowjetunion.
Dennoch verschafft die Vereinbarung dem Iran den dringend benötigten Zugang zum internationalen Markt in großem Maßstab. Die Sanktionen der USA würden damit zumindest in Teilen hinfällig.
Rauchzeichen: Die brennenden Ölförderanlagen aus der Luft
Eskalation ganz neuer Dimension
Die Vereinbarung dürfte auch den Hintergrund der derzeitigen verbalen und militärischen Eskalation bilden, sagt Günter Meyer. "Sollten die USA sich wider alle militärische Vernunft zu einem Angriff auf den Iran entscheiden, dann wäre jetzt der richtige Moment. Man hätte einen Vorwand, um gegen die iranischen Erdöleinnahmen vorzugehen, bevor die militärische Zusammenarbeit mit China beginnt."
Aus Sicht derer, die auf eine militärische Lösung setzten, müsste ein Angriff so schnell wie möglich erfolgen. "Denn wenn diese Zusammenarbeit Iran-China erst einmal auf vollen Touren läuft und die chinesischen Sicherheitskräfte dort stationiert sind, könnte eine Auseinandersetzung mit dem Iran in eine Eskalation von ganz neuer Dimension münden."
Mit oder ohne Eskalation: Am Golf ändert sich die geostrategische Situation grundlegend. Sie könnte dazu führen, dass auch das Atomprogramm des Iran keinen Einschränkungen mehr unterliegt. Absehbar könnte er sich zur führenden Macht in der Region entwickeln.
DW
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