Hongkong im Zustand der Dauerkonfrontation
Sie sind schwarz gekleidet, tragen Helm und Gasmaske, errichten Straßenbarrikaden, werfen Pflastersteine und Molotowcocktails. Die Hongkonger Regierung nennt sie "Gewalttäter, die terroristische Methoden verwenden". Sie bezeichnen sich selbst auf Englisch als "braves", also Tapfere, Furchtlose. Die DW hat mit zwei Vertreten der gewaltbereiten Demonstranten gesprochen, einer nennt sich M., er ist ein frischgebackener Hochschulabsolvent, A Jun, auch dies nicht sein richtiger Name, hat gerade einen Job gefunden. Beide Männer sind Anfang 20 und stehen in der Konfrontation mit der Hongkonger Polizei in der ersten Reihe. "Die Regierung ignoriert die Stimme der Bevölkerung. Sie ist verantwortlich für die Dauerproteste", sagt M.
"Wichtig ist immer der Fluchtweg"
Die Protestbewegung in Hongkong hat keinen Anführer, aber es gibt mehrere Aktionsgruppen, und deren Führer seien ständig im Kontakt und koordinierten die nächsten Schritte, erzählt A Jun. Die Aktivisten sind untereinander via Social Media vernetzt. "Schüler, Studenten, Lehrer - wir diskutieren vor jeder Demo über alle Eventualitäten und teilen die Arbeit auf. Wichtig dabei ist immer der Fluchtweg."
Auch am Sonntag lieferten sich Tausende zumeist schwarz vermummter Protestler wieder ein Katz-und Maus-Spiel mit der Polizei in den Straßenschluchten des Hongkonger Geschäfts- und Touristenzentrums. Die Polizei setzte Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse ein. 89 Personen wurden festgenommen, seit Juni gab es 1500 Festnahmen. Gegen 44 Verdächtige läuft ein Strafverfahren wegen Landfriedensbruch.
Einsatz von V-Leuten
Die Polizei versuche, die Gruppenführer mit Hilfe von eingeschleusten Undercoveragenten zu identifizieren, davon ist A Jun fest überzeugt. Einige Mitstreiter seien bereits nach verdeckten Ermittlungen festgenommen worden. In seiner Gruppe habe die Zahl der Teilnehmer stark abgenommen, von anfangs 60 auf derzeit 20. "Die Aktivisten werden brutal geschlagen, sie erleiden Hirnblutungen oder Frakturen des Brustkorbs. Warum musste die Polizei so viel Gewalt bei den Festnahmen anwenden?" fragt sich A Jun. "Die Polizei verteidigt das ungerechte System. Wir müssen deswegen Widerstand leisten", fügt M. hinzu.
Nach offiziellen Angaben hat Hongkong 30.000 Polizisten. Seit Monaten sind sie im Dauereinsatz. "80 bis 90 Prozent der Polizeibeamten sind sauer auf die Demonstranten", schätzt Polizist Tom, der der DW seinen Namen nicht verraten will. Die Mehrheit seiner Kollegen glaube, die Regierung sei ausreichend auf die Forderungen eingegangen, die Proteste und der aggressive Umgang mit der Polizei seien von den Amerikanern angezettelt worden.
Frust im Polizeiapparat
Aber Tom ist anderer Meinung. Er unterstützt die Demokratiebewegung, nimmt auch an Protesten teil, wenn er keinen Dienst hat. Das behält er aber lieber für sich. "Äußert man eine andere Meinung als die offizielle, wird man bestraft." Die Festnahme von Leuten, die gegen das Gesetz verstoßen, sei in Ordnung. Aber die Anwendung der Polizeigewalt müsse verhältnismäßig sein. "Es ging zu weit, als Tränengas in einer U-Bahn-Station abgefeuert wurde." Tom überlegt sich, seinen Job zu kündigen. Exzessive Polizeiwillkür führe zu einer nicht wiedergutzumachenden Spaltung die Gesellschaft, so sein Fazit.
Auch "Peter", ebenfalls ein Polizist, hat Verständnis für die Demokratiebewegung. Gleichzeitig macht es ihn traurig, dass das Stadtparlament von Randalierern gestürmt wurde und dass die Demonstranten mit Laserpointern auf die Augen von Polizisten gezielt haben. "Die Forderung nach Direktwahlen ist nicht unmöglich, die Umsetzung braucht aber ihre Zeit", sagt er zu einer Kernforderung der Bewegung. Für eine andere Forderung der Protestler, nämlich Amnestie für Festgenommene, hat er kein Verständnis. Straflosigkeit für Rechtsbrecher würde Hongkongs Rechtsstaatlichkeit Hohn sprechen.
Die bald viermonatige Konfrontation hat auch Peter zermürbt, auch er will seinen Job hinschmeißen. "Die Probleme werden noch lange weiter bestehen." Er wolle nicht länger als Zielscheibe zwischen den wütenden Bürgern und der Verwaltung stehen.
"Kein Kampf gegen die VBA"
Derzeit wird in Hongkong spekuliert, ob die Stadtverwaltung zum 1. Oktober, dem 70-jährigen Bestehen der Volksrepublik China, den Notstand ausruft, falls die Gewalt bei den Kundgebungen weiter ausufert. Dann könnte die Volksbefreiungsarmee in Hongkong eingesetzt werden. "Dann gehen wir halt nach Hause und gucken fern", sagt M. Man könne nur dann protestieren gehen, wenn man frei und am Leben bleibe.
DW
"Wichtig ist immer der Fluchtweg"
Die Protestbewegung in Hongkong hat keinen Anführer, aber es gibt mehrere Aktionsgruppen, und deren Führer seien ständig im Kontakt und koordinierten die nächsten Schritte, erzählt A Jun. Die Aktivisten sind untereinander via Social Media vernetzt. "Schüler, Studenten, Lehrer - wir diskutieren vor jeder Demo über alle Eventualitäten und teilen die Arbeit auf. Wichtig dabei ist immer der Fluchtweg."
Auch am Sonntag lieferten sich Tausende zumeist schwarz vermummter Protestler wieder ein Katz-und Maus-Spiel mit der Polizei in den Straßenschluchten des Hongkonger Geschäfts- und Touristenzentrums. Die Polizei setzte Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse ein. 89 Personen wurden festgenommen, seit Juni gab es 1500 Festnahmen. Gegen 44 Verdächtige läuft ein Strafverfahren wegen Landfriedensbruch.
Einsatz von V-Leuten
Die Polizei versuche, die Gruppenführer mit Hilfe von eingeschleusten Undercoveragenten zu identifizieren, davon ist A Jun fest überzeugt. Einige Mitstreiter seien bereits nach verdeckten Ermittlungen festgenommen worden. In seiner Gruppe habe die Zahl der Teilnehmer stark abgenommen, von anfangs 60 auf derzeit 20. "Die Aktivisten werden brutal geschlagen, sie erleiden Hirnblutungen oder Frakturen des Brustkorbs. Warum musste die Polizei so viel Gewalt bei den Festnahmen anwenden?" fragt sich A Jun. "Die Polizei verteidigt das ungerechte System. Wir müssen deswegen Widerstand leisten", fügt M. hinzu.
Nach offiziellen Angaben hat Hongkong 30.000 Polizisten. Seit Monaten sind sie im Dauereinsatz. "80 bis 90 Prozent der Polizeibeamten sind sauer auf die Demonstranten", schätzt Polizist Tom, der der DW seinen Namen nicht verraten will. Die Mehrheit seiner Kollegen glaube, die Regierung sei ausreichend auf die Forderungen eingegangen, die Proteste und der aggressive Umgang mit der Polizei seien von den Amerikanern angezettelt worden.
Frust im Polizeiapparat
Aber Tom ist anderer Meinung. Er unterstützt die Demokratiebewegung, nimmt auch an Protesten teil, wenn er keinen Dienst hat. Das behält er aber lieber für sich. "Äußert man eine andere Meinung als die offizielle, wird man bestraft." Die Festnahme von Leuten, die gegen das Gesetz verstoßen, sei in Ordnung. Aber die Anwendung der Polizeigewalt müsse verhältnismäßig sein. "Es ging zu weit, als Tränengas in einer U-Bahn-Station abgefeuert wurde." Tom überlegt sich, seinen Job zu kündigen. Exzessive Polizeiwillkür führe zu einer nicht wiedergutzumachenden Spaltung die Gesellschaft, so sein Fazit.
Auch "Peter", ebenfalls ein Polizist, hat Verständnis für die Demokratiebewegung. Gleichzeitig macht es ihn traurig, dass das Stadtparlament von Randalierern gestürmt wurde und dass die Demonstranten mit Laserpointern auf die Augen von Polizisten gezielt haben. "Die Forderung nach Direktwahlen ist nicht unmöglich, die Umsetzung braucht aber ihre Zeit", sagt er zu einer Kernforderung der Bewegung. Für eine andere Forderung der Protestler, nämlich Amnestie für Festgenommene, hat er kein Verständnis. Straflosigkeit für Rechtsbrecher würde Hongkongs Rechtsstaatlichkeit Hohn sprechen.
Die bald viermonatige Konfrontation hat auch Peter zermürbt, auch er will seinen Job hinschmeißen. "Die Probleme werden noch lange weiter bestehen." Er wolle nicht länger als Zielscheibe zwischen den wütenden Bürgern und der Verwaltung stehen.
"Kein Kampf gegen die VBA"
Derzeit wird in Hongkong spekuliert, ob die Stadtverwaltung zum 1. Oktober, dem 70-jährigen Bestehen der Volksrepublik China, den Notstand ausruft, falls die Gewalt bei den Kundgebungen weiter ausufert. Dann könnte die Volksbefreiungsarmee in Hongkong eingesetzt werden. "Dann gehen wir halt nach Hause und gucken fern", sagt M. Man könne nur dann protestieren gehen, wenn man frei und am Leben bleibe.
DW
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