Kommentar: Boris Johnson verlässt die EU-Linie in der Iran-Krise

Kommentar: Boris Johnson verlässt die EU-Linie in der Iran-Krise
Der Bruderkuss: Plakat aus der Referendumskampagne 2016 sagt viel über das Verhältnis von Trump und Johnson
Nur knapp zwei Wochen nach Übernahme seines Amtes schlägt sich der britische Premierminister Boris Johnson auf die Seite der USA und seines Bruders im Geiste, Donald Trump: Die Briten schließen sich der Marine-Mission der USA in der Straße von Hormus an. Die europäische Mission, die Großbritannien vor dem Regierungswechsel in London selbst vorgeschlagen hatte, ist vom Tisch. Jetzt geht ein tiefer diplomatischer Riss durch Europa, da Deutsche und Franzosen sich nicht an der US-Aktion "Sentinel" zum Schutz von Tankern vor iranischen Übergriffen beteiligen wollen. Sie trauen aus guten Gründen der Trump-Regierung nicht, glauben, dass diese mit ihrer Politik des "maximalen Drucks" auf Teheran die Lage eher verschlimmert als verbessert.
Amerikanische und britische Kriegsschiffe gemeinsam im strategisch so wichtigen Persischen Golf dürften die nächste Eskalationsstufe im Konflikt mit dem Iran einläuten. Die USA haben ihr Ziel erreicht und einen Keil in die europäische Phalanx getrieben, die eigentlich zusammenbleiben wollte, um das Atomabkommen mit dem Iran gegen amerikanischen Druck doch noch irgendwie zu retten. Das dürfte nun wesentlich schwieriger werden, denn der Iran wird den Briten noch weniger trauen als zuvor.
Riegert Bernd Kommentarbild AppEuropa-Korrespondent Bernd Riegert
Handel nach dem Brexit geht vor
Zwar hat der neue britische Außenminister versichert, auch er wolle an dem Abkommen mit dem Iran über das Ende seines Atomwaffenprogramms festhalten und auch keine neue Sanktionen verhängen - aber das ist wenig glaubhaft. Es wird nur allzu deutlich, dass das kurz vor dem knallharten Ausstieg aus der EU stehende Großbritannien vor allem eines will: ein schnelles Handelsabkommen mit den USA. Dafür ist Boris Johnson bereit, die Verbindungen zu den Europäern auch außenpolitisch ein Stück weit zu kappen und sich ganz ins Fahrwasser der Falken im Weißen Haus zu begeben.
Einer von ihnen, der Sicherheitsberater des US-Präsidenten, John Bolton, kann sich freuen: Seine Strategie geht auf. Mit dem Rückzug der USA aus dem Atomabkommen und dem Herauslösen der Briten aus dem europäischen Verbund kommt er seinem gefährlichen Ziel näher, den Iran zu bezwingen und ein Ende des theokratischen Regimes in Teheran zu erreichen. Die von Donald Trump angekündigten Verhandlungen, die er mit dem Iran führen wollte, werden so wohl kaum zustande kommen. Falls doch, werden sie ergebnislos im Sande verlaufen, wie auch die Gipfel mit dem nordkoreanischen Diktator und "guten Freund" von Donald Trump.
Europäer zögern zu lange
In Berlin, Paris und Brüssel ist man "not amused" über den britischen Kursschwenk. Allerdings sind der deutsche Außenminister Heiko Maas und die Regierungskoalition in Berlin nicht ganz unschuldig an der Lage. Hätten Deutschland, Frankreich und andere EU-Staaten schnell und entschlossen auf die ursprüngliche britische Initiative reagiert, eine europäische Mission auf die Beine zu stellen, hätte sich das Auseinanderbrechen der europäischen Vertragspartner des Iran-Abkommens verhindern lassen. Durch das lange Zögern der Bundesregierung und die kakophonen Stimmen aus den Koalitionsparteien war klar, dass es eine schnelle Einigung auf eine europäische Mission nicht geben würde. Deutschland ist seinem eigenen Anspruch, international mehr Verantwortung zu übernehmen, nicht gerecht geworden.
Stattdessen will Außenminister Maas jetzt eine Beobachtermission aus EU-Staaten ohne Großbritannien zusammenstellen. Selbst das kann noch lange dauern und wird wenig Wirkung haben. Vom bloßen Zuschauen und Aufklären werden sich iranische Revolutionsgarden in der angespannten Lage nicht beeindrucken lassen. Irgendwie kann man die Briten auch verstehen, dass sie frustriert sind von den lavierenden europäischen Partnern. Dennoch ist die Flucht in die Arme des unberechenbaren US-Präsidenten der falsche Schritt - und Premierminister Johnsons außenpolitischer Sündenfall.
DW​​​

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